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Berlin: Die brave Basis

Der grüne Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg unterstützt eine Regierungsbeteiligung

Von Sabine Beikler

Undiszipliniert seien sie und nicht regierungsfähig: Das ist das Bild der linken Kreuzberger Grünen, das Kritiker einer grünen Regierungsbeteiligung malen. Vor allem nach dem Wahlerfolg des traditionell linken Kreisverbands Friedrichshain-Kreuzberg beobachtet man in der SPD genau, ob die grüne Basis einer gemeinsamen Regierung gegenüber tatsächlich loyal wäre – oder ob grüne Fundamentalisten mit radikalen Forderungen die Oberhand in der Partei gewinnen könnten. Eine Skepsis, die Hans Panhoff für reichlich übertrieben hält: „Das Schreckgespenst der Kreuzberger Grünen gibt es nicht mehr. Wir sind höchst disziplinierte Leute“, sagt Panhoff, Mitglied im geschäftsführenden Ausschuss des mit rund 600 Mitglieder stärksten grünen Kreisverbandes in Berlin.

Bei der Abgeordnetenhauswahl erzielten die Grünen in dem Ost-West-Bezirk 33 Prozent. Im Vergleich zu den Wahlen 2001 legten sie um 10,5 Prozent zu und wurden mit 20 Sitzen in der Bezirksverordnetenversammlung stärkste Partei. Auch drei von fünf Direktmandaten gewannen die Berliner Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg: Schulpolitiker Özcan Mutlu wird erneut ins Parlament ziehen, mit ihm die neu gewählten Abgeordneten Dirk Behrendt und Heidi Kosche.

Behrendt, 35 Jahre alt und Richter, war im rot-grünen Übergangssenat 2001 persönlicher Referent des grünen Ex-Justizsenators Wolfgang Wieland und zählt zum linken Flügel des Friedrichshain- Kreuzberger Kreisverbands. Er plädiert für eine Regierungsbeteiligung und sieht wenig Dissens in der rot-grünen Programmatik. „Wir haben viele Gemeinsamkeiten, obwohl einige Entscheidungen der SPD wie der Verkauf der GSW oder die Teilprivatisierung der Wasserbetriebe nicht ganz so sozialdemokratisch waren“, sagt Behrendt. Er möchte grüne Inhalte in einer Koalition verankert sehen: ein ökologisches Programm aufbauen und die „soziale Frage“ hervorheben. Konkret: keine Einsparungen in der Jugendarbeit, mehr Geld für Bildung, Integration und Beschäftigungsmodelle, um Ein-Euro-Jobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung umzuwandeln.

Das beschreibt auch die grundsätzliche Forderung der linken Grünen: Es muss unter Rot-Grün auf jeden Fall in soziale Bereiche investiert werden. „Das ist nicht nur für die Betroffenen positiv, sondern in diesen Bereichen sehen wir auch neue Arbeitsplätze“, sagt Dietmar Lingemann, Mitglied im Kreuzberger Grünen-Vorstand und Sprecher der grünen Landesarbeitsgemeinschaft Wirtschaft. Man dürfe sich „nicht zu Tode sparen“ – auch wenn das Probleme mit dem Urteil des Karlsruher Bundesverfassungsgerichts auf Zahlung von Bundeshilfen an Berlin bringen würde.

Ein anderes Konfliktpotenzial zwischen Partei und Kreisverband birgt der Umgang mit den Wohnungsgesellschaften. Die linken Grünen warnen vor einem „Totalverkauf“ des städtischen Wohnungsbestandes. Sie betrachten sich als „Partei der Mieter“. Nur unter Sicherung der Miethöhen dürfe man Verkäufen zustimmen. Im Landesprogramm schließen die Grünen Verkäufe nicht aus, um Wohnungsgesellschaften zu entschulden.

Doch auch darin werde man sich einigen können. „Wir sind keine Spontis, sondern haben eine Debattenkultur“, betont Grünen-Mitglied Panhoff. Will sagen: Es gibt ein gemeinsames Ziel – nur diskutiert darüber wird in Kreuzberg immer ein bisschen länger.

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