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Berlin: Die CDU will das Polizeigesetz schnell ändern, scheut aber den Streit mit der SPD

Innensenator Eckart Werthebach (CDU) will noch in diesem Jahr die Videoüberwachung "gefährdeter Objekte" gesetzlich verankern. Öffentliche Gebäude, Religionsstätten, Denkmäler und Friedhöfe, deren Sicherheit gefährdet ist, sollen ins Visier genommen werden.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Innensenator Eckart Werthebach (CDU) will noch in diesem Jahr die Videoüberwachung "gefährdeter Objekte" gesetzlich verankern. Öffentliche Gebäude, Religionsstätten, Denkmäler und Friedhöfe, deren Sicherheit gefährdet ist, sollen ins Visier genommen werden. Dazu muss das Polizeigesetz geändert werden. Obwohl die CDU/SPD-Koalitionsvereinbarung eine flächendeckende Kontrolle von Straßen und öffentlichen Plätzen in Berlin nicht zulässt, hält Werthebach die Videoüberwachung für "ein sehr gutes Mittel zur Prävention und Aufklärung von Straftaten."

Der Senator kann mit der Unterstützung seiner christdemokratischen Amtskollegen rechnen, die heute - nach der Innenministerkonferenz - dieses Thema beraten. Angespornt von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die zum Beispiel "Plätze mit regem Drogenhandel, Taschendiebstahl und U-Bahneingänge" mit Kameras bestücken will. Hans-Georg Lorenz, innenpolitischer Sprecher der SPD, ist zwar weiterhin bereit, "mit der CDU zu diskutieren und Experten anzuhören", aber Videokameras auf öffentlichen Plätzen kämen nicht in Frage. "Weder auf dem Alexanderplatz noch anderswo." Dort gehörten leibhaftige Polizisten hin.

Der Innensenator kennt diese Einwände, und deshalb äußert sich der Sprecher der Innenverwaltung, Stefan Paris, zur geplanten Novelle des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) nur vorsichtig. Eine Liste der zu überwachenden Objekte werde ohnehin erst vorgelegt, wenn die Änderung des Gesetzes "in Sack und Tüten" sei. Auch der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Roland Gewalt, will nichts übers Knie brechen, um die SPD nicht zu verschrecken. Die Union möchte gern auch Bahnhöfe ins Visier nehmen. Aber darf die Kamera bis auf den Bahnhof-Vorplatz schwenken?

Die Geschäftsleute im Bahnhof Zoo fordern seit Sommer 1999 die Videoüberwachung der Bürgersteige vor ihren Läden. Die BVG hat bereits viele Busse, Bahnen und U-Bahnhöfe mit Kameras ausgerüstet. Der Bezirk Neukölln prüft, ob das örtliche Sozialamt videoüberwacht werden soll. In Schulen und Kliniken werden ähnliche Diskussionen geführt. Im Quartier Pulvermühle, das einem städtischen Wohnungsunternehmen gehört, können die Mieter ihre Kinder auf dem Spielplatz über den eigenen Fernseher beobachten.

"Die Videoüberwachung ist nicht mehr aufzuhalten", sagt der CDU-Sicherheitsexperte Gewalt siegesgewiss. Leipzig hat damit angefangen, auf dem Gelände des Hauptbahnhofes. In München und Dresden ist man dem Beispiel gefolgt, Regensburg bereitet einen Pilotversuch vor. Dort soll die Innenstadt mit elf polizeilichen Kameras unter Kontrolle gehalten werden. In Hessen haben CDU und FDP die "Videoüberwachung im öffentlichen Raum unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen" in die Koalitionsvereinbarung hineingeschrieben. In Brandenburg hat Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) einen Vorstoß unternommen, der vom Koalitionspartner SPD skeptisch aufgenommen wurde. In Großbritannien, sagt Gewalt, werde die Videoüberwachung flächendeckend eingesetzt, auch die Niederlande und Dänemark hätten sich eingeklinkt.

Während sich die Christdemokraten derzeit bundesweit um ein Konzept für die Videoüberwachung des öffentlichen Raumes bemühen, sind SPD, PDS und Grüne dagegen. Auch die Datenschützer reagieren ablehnend. "Eine flächendeckende Videoüberwachung öffentlicher Räume muss verhindert werden", erklärte der Berliner Datenschutzbeauftragte Jürgen Garstka im neuen Jahresbericht seiner Behörde. Das geltende Recht erlaube nur den Einsatz von Kameras zur Untersuchung bzw. Verhütung einer "Straftat von erheblicher Bedeutung", zur Abwehr einer "gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person" und bei "erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei öffentlichen Versammlungen."

Die angeblich positiven Erfahrungen in London oder Leipzig beeindrucken Garstka nicht. Gerade dort habe die Videoüberwachung gezeigt, "dass selbst großflächig angelegte Maßnahmen nicht dauerhaft greifen." Außerdem hätten sich die kriminellen Aktivitäten in andere Stadtbereiche verlagert. Der Berliner Datenschützer findet es erstaunlich, dass die Videoüberwachung trotzdem in der Bevölkerung hohe Akzeptanz besitze, wie Umfragen gezeigt hätten. Offenbar "überwiegt das subjektiv wahrgenommene Sicherheitsgefühl die Wahrnehmung der persönlichkeitsrechtlichen Einschränkungen bei weitem."

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