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Knackige Angelegenheit: Bockwürste.

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Die DFB-Elf und ihr Speiseplan: Bock auf Bockwurst

Bockwurst ist immer dann eine gute Wahl, wenn derjenige, der sie isst, nicht im Verdacht steht, ein Würstchen zu sein, und das war im Falle der deutschen Kickerhelden absolut auszuschließen. Eine Stilkritik zum weltmeisterlichen Speiseplan in Berlin.

Essen Prominente in der Öffentlichkeit, können sie eigentlich alles nur falsch machen. Denn sie werden dabei in der Regel fotografiert, und für diesen Fall gilt die eiserne Regel Nummer eins: Du siehst doof aus mit offenem Mund. Die zweite Regel ist auch nicht viel besser: Du bist, was du isst. Die ist natürlich Quatsch, aber doch der Grund dafür, dass wir relativ selten Prominenz beim Würstchenverzehr sehen, Tatortkommissare mal ausgenommen, aber das ist eine ganz andere Geschichte. Aber wir neigen nun einmal dazu, weitreichende Schlüsse zu ziehen aus den jeweils präferierten Nahrungsmitteln. Gänsestopfleber: Neoliberaler, sehr wahrscheinlich Hedgefondsmanager, geht über Leichen. Eisbein mit Sauerkraut: Kaloriennazi, trägt dabei vermutlich Feinripp und guckt Trash-TV. Thunfisch: modebewusster Hedonist ohne Umweltgewissen oder Japaner. Wal: Thunfisch plus. Sojapfanne mit Brennnesselsalat: Veganer oder jemand, der den Veganismus definitiv widerlegen will. Wichtig ist aber auch die Relation zwischen sozialem Status und vermutetem Preis des Essens. Wer in der Öffentlichkeit teures Zeug der Kategorie Hummer/Kaviar/Champagner zu sich nimmt, dem ist sein Ansehen entweder egal, oder er gehört zu jenen raren Exzentrikern, denen ihr Ansehen erst recht völlig egal ist: Rolf Eden, Bernie Ecclestone,

Elton John, solche Leute.

Klaus Wowereit soll mal Champagner aus einem hochhackigen Damenschuh getrunken haben. Das war ein Vorfall, der ihn zum leichtlebigen Feierbiest gestempelt hat, das Image des Party-Bürgermeisters wird er nicht wieder los, nicht einmal, wenn er sich bis zu seinem Lebensende in einem Kartäuserkloster verkriecht. Wo wollten wir gleich hin? Zur siegreichen deutschen Nationalmannschaft. Am Dienstagmittag in Berlin stand die Einkehr im Haus der Commerzbank auf dem Programm, und zwar zum Zweck der Stärkung, kein Weltklassefußballer tritt hungrig vor seine Fans. Und es gab: Bockwurst. Bockwurst ist immer dann eine gute Wahl, wenn derjenige, der sie isst, nicht im Verdacht steht, ein Würstchen zu sein, und das war im Falle der deutschen Kickerhelden absolut auszuschließen. Dann ist wichtig, in welchem Rahmen die Bockwurst auftritt. Denn ihr eminent deutscher Charakter (Wikipedia: „Die Bockwurst ist eine deutsche Wurstsorte. Sie wurde ursprünglich zum Bockbier serviert“) bedingt eine sensible Auswahl der anderen Accessoires; wer beim Wurstessen beispielsweise Stahlhelm und Knobelbecher trägt, der übertreibt maßlos – im kuschelweichen Adidas-Ökotop der Nationalmannschaft auch kein Thema.

Schließlich: Wo in Deutschland? Berlin und Bockwurst, das ist schon ein bisschen übertrieben angepasst, das ist wie Aronal und Elmex auf einer Bürste, aber es geht. Noch am selben Tag aber hatten die Bayernmünchener Nationalkicker in München aufzutreten, und man mochte ihnen raten, keine Restzipfel aus Berlin mitzunehmen. Denn die autochthonen Entscheider der Isarstadt betrachten die preußische Bockwurst mit ungefähr der gleichen Zuneigung wie den Länderfinanzausgleich, dort ist ausschließlich Weißwurst das Grundnahrungsmittel über alle Klassenschranken hinaus. Hätte, wäre, würde: Die Bockwurst als Berliner Spielerspeise war die richtige Idee, zumal man ja ahnte, dass es im Flieger wieder allerhand Lufthansa-Spezereien aus der Folienpelle gegeben hat, die einen kräftigen jungen Menschen komplett kaltlassen.

Nun gut: Auch an die Verabreichung einer in Berlin ja zweifellos heimischen Currywurst wäre zu denken gewesen. Nur bedeutet Currywurst eben immer gleich ein ganzes System von Entscheidungen. Mit Darm oder ohne, Pommes oder Brötchen, Ketchup oder Majo? Das möchte man einem Nationalspieler, der noch unter der Informationsüberlastung des Finales leidet, dann doch nicht zumuten. Bockwurst ist Senf ist Brötchen, fertig. Und wer sie ohne Darm isst, der bringt sich um den högschden Genuss, der ja im knackigen Biss besteht, und er wäre mit dieser Angewohnheit sicher in der Nationalelf nicht tragbar. Alles perfekt gelaufen also auch in der Berliner Nachspielzeit.

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