zum Hauptinhalt

Berlin: Die Eine-Million-Euro-Frage

Der Streit um die Liebigstraße 14 forderte viele Opfer: Rund 100 Polizisten wurden verletzt. Der Sachschaden geht in die Hundertausende

Die Extremisten haben ihre Drohung offenbar wahr gemacht: „Bei Räumung eine Million Schaden“, hatten Autonome bereits Tage vor dem Einsatz im Internet angekündigt. Einen Tag nach der Räumung des linken Hausprojekts „Liebig 14“ zog Polizeipräsident Dieter Glietsch gestern eine erste Bilanz. Es werde noch Wochen dauern, sagte Glietsch, bis der genaue Schaden feststeht, den die Linksextremisten in den vergangenen Tagen angerichtet haben. Derzeit könne man nicht ausschließen, dass die Millionen-Euro-Grenze erreicht oder sogar überschritten worden ist.

Allein in der Nacht zu Donnerstag hinterließen die Autonomen in Friedrichshain eine Schneise der Zerstörung. Glietsch sprach von „politisch motiviertem Vandalismus“. Nach der Demonstration waren Gruppen von Gewalttätern in unterschiedlicher Stärke, zwischen 20 und 200 Personen, „in blinder Zerstörungswut“ durch die Straßen gezogen. Die Liste der mit Pflastersteinen attackierten Gebäude, die Glietsch gestern vorlas, ist lang: „eine Polizeiwache, mehrere Bankfilialen, Supermärkte, die O2-World, der Liegenschaftsfonds, der Ostbahnhof, ein Autohaus, zwei Kaufhäuser, Modegeschäfte, Bürogebäude, Straßenlaternen, die BSR, ein BVG-Bus, Autos, eine Telefonzelle und ein Stromverteilerkasten“.

Glietsch lobte, dass es dank der hohen Zahl von 2500 eingesetzten Beamten gelungen sei, eine Ausweitung der Krawalle auf Kreuzberg zu verhindern. Dafür hatte die Polizei die Oberbaumbrücke abgeriegelt. Doch das Präsidium übte auch Kritik an der Einsatzleitung: Vor der O2-Arena und am Ufer der Spree habe uniformiertes Personal gefehlt. Es sei schließlich vorherzusehen gewesen, dass die Randalierer in Richtung O2-Arena und Ostbahnhof ausweichen, wenn die Oberbaumbrücke abgesperrt wird. Doch vor der neuen Halle seien gar keine Beamten postiert gewesen, am Ostbahnhof nur wenige Bundespolizisten der dortigen Bahnpolizeiwache.

Insgesamt wurden am Mittwoch 82 Verdächtige festgenommen, 65 Männer und 17 Frauen. 68 der Tatverdächtigen sind deutscher Herkunft. 54 leben in Berlin, 15 Personen stammen aus dem übrigen Bundesgebiet. Von den Festgenommenen sollen 22 dem Haftrichter vorgeführt werden. 35 der Festgenommenen sind der Polizei bekannt, davon 16 einschlägig. Gegen sie wurde bereits wegen politisch motivierten Straftaten ermittelt.

Bei der Räumung und den anschließenden Krawallen wurden 61 Beamte verletzt, die meisten im Stein- und Flaschenhagel oder bei Festnahmeversuchen. Schwer verletzt wurde niemand. Auch die Krawalle vom vergangenen Sonnabend gehören in die Liebig-Bilanz: Am Sonnabend waren bereits 40 Beamte bei einer Demonstration verletzt worden. Insgesamt hat der Streit um das Haus also mehr als 100 verletzte Polizisten gefordert.  Keine Erkenntnisse gibt es über die Zahl der verletzten Demonstranten und Randalierer. Ungeklärt ist bislang, wie lange die neun Besetzer, die sich am Mittwoch in der Liebigstraße 14 verschanzt hatten, dort schon wohnten. Beamte hatten drei Italiener, einen Spanier, eine Französin und vier Deutsche festgenommen, darunter zwei Frauen. Drei der vier Deutschen und ein Italiener sind bereits einschlägig polizeilich bekannt.

Unklar ist, ob auch die am Mittwochabend in einer S-Bahn gefundene Bombenattrappe einen Zusammenhang mit der „Liebig 14“ hat. Reisende hatten den Koffer gefunden, darin befand sich der Nachbau eines Sprengsatzes. Einige Nächte zuvor hatten Unbekannte mehrere Ampeln an großen Kreuzungen sabotiert. Wie berichtet, hatte es vor der Räumung Aufrufe gegeben, auch den Nahverkehr zu stören.

Die Berliner Grünen dankten gestern der Polizei für den Einsatz, die „in einer schwierigen Lage gut und besonnen agiert“ habe. Die CDU forderte Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) zum Rücktritt auf. Dieser „sympathisiere mit gewalttätigen Chaoten und Rechtsbrechern“, heißt es in einer Mitteilung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false