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Berlin: Die Farben des Glaubens

Kunst im Kirchenschiff: Immer mehr Gemeinden versuchen sich als Förderer junger Maler

Es ist ein großes Gemälde und ein kleines Osterwunder: das Altarbild, das heute Abend in St. Matthäus übergeben wird. Ein neues Gemälde, das dort aufgehängt wird, ist nichts Besonderes, schließlich beherbergt die Kirche am Kulturforum die Kunststiftung der Evangelischen Kirche. Aber durchaus etwas Besonderes ist, dass die Stiftung das Triptychon „Leiden, Auferstehen, Sterben“ von Karl-Ludwig Lange für 30000 Euro gekauft hat. Das Geld kam zwar nicht von der Kirche, sondern von einem Berliner Anwalt und einem Unternehmer am Bodensee. Aber dass es dazu kam, ist das Verdienst der Kunststiftung, die sich die Evangelische Kirche in Berlin seit fünf Jahren leistet, obwohl sie eine der ärmsten Landeskirchen ist.

Wenn nun künftig das wunderbare Gemälde von Karl-Ludwig Lange den Altar von St. Matthäus ziert, ist das ein Zeichen dafür, wie viel sich mittlerweile im Verhältnis zwischen Kirchen und Kunst tut. Denn nicht nur die Kunststiftung St. Matthäus ist ein wichtiger Förderer zeitgenössischer Kunst, auch immer mehr vor allem protestantische Gemeinden öffnen ihre Kirchentüren für Künstler – trotz und gerade wegen des wenigen Geldes, das ihnen zur Verfügung steht. Christhard-Georg Neubert, Direktor der Stiftung St. Matthäus, fallen auf Anhieb ein Dutzend ein.

„Unsere Kirche soll ein öffentlicher Raum sein“, sagt Pfarrer Christian Müller von der Kreuzberger Thomas-Kirche, „und nicht nur für Gottesdienste genutzt werden.“ Deshalb bietet er seit sechs Jahren Künstlern die Möglichkeit, in den Kirchenräumen auszustellen. „Die Kirchen wurden einmal mit öffentlichem Geld gebaut“, sagt sein Kollege von der Heilandskirche in Moabit. Vor hundert Jahren seien 95 Prozent der Bürger in die Kirche gegangen, heute nur noch fünf. Damit auch die anderen etwas von dem Gebäude haben, holt auch er seit fünf Jahren Künstler und Ausstellungen in sein Haus. Um dafür mehr Geld zu haben und die Kirche zu einem richtigen Kultur- und Veranstaltungshaus auszubauen, hat er sogar einen Teil des Pfarrgrundstücks verkauft.

Für Rannenberg ist Kunst, ob alte oder zeitgenössische, „etwas Transzendentes mit einer Botschaft“ – etwas, das der Religion sehr ähnlich ist. Das Gotteshaus dürfe aber keine Galerie werden. Darin sind sich die Pfarrer einig. Es müsse schon ein Dialog entstehen zwischen den Kunstwerken und der Liturgie, „mit dem, was wir sonst hier sagen wollen“, wie es Christian Müller nennt. „Eine offene Kirche ist eine, die verwandten Geistern Obdach bietet“. Das hat Fulbert Steffensky, der Theologe und Gatte von Dorothee Sölle, einmal gesagt und Pfarrerin Katharina Plehn-Martins von der Wilmersdorfer Auengemeinde aus dem Herzen gesprochen. Auch sie öffnet die Kirche für den Dialog mit zeitgenössischen Künstlern. Schließlich habe jede Kirchengemeinde einen Bildungs- und Kulturauftrag.

Einig sind sich die Pfarrer auch darin, dass sie Künstlern, die am Anfang ihrer Karriere stehen und noch keine große Galerie gefunden haben, ein Forum bieten wollen. So wie in den USA für Popkünstler oft der Kirchenchor ein Sprungbrett ist. Und dem Gemeindeleben tue es gut. „Wir wollten Ende der 90er Jahre nicht mehr nur jammern über die finanziellen Sparmaßnahmen, sondern einen neuen Aufbruch“, sagt Pfarrer Rannenberg. „Jetzt ist richtig was los.“ Die Kirche sei kein toter Körper mehr. Durch die Kunst, sagt Pfarrerin Plehn-Martins, kämen auch die in einen Gottesdienst, die sonst hier nichts suchen würden, sozusagen die Kulturprotestanten.

Wie man den Protestantismus und die Kunst noch weiter annähern könnte, wird derzeit auch auf höchster evangelischer Kirchenebene diskutiert, in den Gremien der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). „Die Evangelische Kirche in Deutschland wie die Evangelische Kirche in Berlin versteht den Kirchenraum in zunehmendem Maß als Raum der Begegnung zwischen Glaube und Kultur“, sagt der EKD-Ratsvorsitzende und Berliner Bischof Wolfgang Huber. Der Begegnung mit zeitgenössischer Kunst müsse mehr Raum gegeben werden. Damit sei aber keine Rückkehr zu einem Kulturprotestantismus vergangener Zeiten gemeint. Vielmehr gehe es um das offene Gespräch mit den Bild- und Symbolsprachen unserer Zeit.

Die Berliner Katholiken haben momentan andere Sorgen, als sich um die Kunstförderung zu kümmern. Dass ihr Etat erhöht wird, daran brauche sie gar nicht zu denken, sagt Christine Götz, die Kunstbeauftragte des Erzbistums. Sie sei schon froh, wenn sie den Bestand sichern könne. Dazu gehört auch das Künstlerhaus unterm Dach der Katholischen Akademie. Dort liegt der Schwerpunkt auf den darstellenden Künsten Tanz, Theater, Film. Aber auch einige katholische Pfarrer haben erkannt, dass man gerade in der jetzigen Finanzkrise neue Wege suchen muss. Martin Rieger zum Beispiel. Er ist Pfarrer in der Gemeinde Heilige Familie in Prenzlauer Berg. Dort leben sehr viele junge Leute und viele Künstler. Im Mai werden sechs von ihnen im Rahmen eines Kunstprojekts im Kirchenschiff leben und arbeiten. Was daraus entsteht, wird später dort ausgestellt. Das Projekt wird nicht teuer, sagt Rieger, es kostet nur viel seiner Energie. Und davon hat der 36-Jährige jede Menge.

Die feierliche Übergabe des Triptychons „Leiden, Auferstehen, Sterben“ von Karl–Ludwig Lange findet heute in der Kirche St. Matthäus im Rahmen eines Gottesdienstes mit Bischof Wolfgang Huber statt. 18 Uhr, Kulturforum, Tiergarten.

Claudia Keller

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