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So, liebe Leute, und jetzt bitte alle wieder zurückpaddeln, die Ferien sind vorbei - und wir bringen Sie auf den aktuellen Stand.

© Ralf Hirschberger/dpa

Die Ferien in Berlin: Liebe Rückkehrer, das haben Sie verpasst

Ein gestohlener Kopf, eine neue Love Parade, eine denkwürdige Abstimmung bei der CDU - und immer wieder Flüchtlinge: Die Sommerferien in Berlin.

Wenn Ferien mit dem Verschwinden eines Kopfs beginnen, ist das ein Grund zur Unruhe. Der Kopf gehört zum Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau, und gestohlen wird er irgendwann Mitte Juli auf dem Stahnsdorfer Friedhof. Auch in Britz verschwindet etwas, in diesem Fall aber streng legal: Der ehemalige Rias-Sendemast wird am 18. Juli durch Sprengung der Halteseile flachgelegt. Sinn hatte er keinen mehr, aber ein Symbol war er doch, finden viele alte Rias-Fans und bedauern den Schritt.

Auch am Sinn des Stehpaddelns auf praktisch jedem geeigneten See in Europa bestehen gewisse Zweifel – dennoch nehmen am 19. Juli ungefähr hundert Sportler an der Deutschen Meisterschaft auf dem Tegeler See teil. Vom Flughafenneubau kommen ausnahmsweise gute Nachrichten, denn die Nord-Landebahn ist fertig saniert und sogar etwas billiger als vorgesehen – allerdings enthält sie auch keinerlei Brandschutzanlagen oder anderes Hightech. Währenddessen suchen die Airport-Gesellschafter im Kleingedruckten verzweifelt nach einer legalen Möglichkeit, Tegel so lange wie möglich offen zu halten. Kein Problem, wenn es nach der Firma Imtech geht, die einige Schlüsselprobleme der BER-Technik lösen soll, aber in die Insolvenz rutscht – einige optimistisch angesetzte Termine wackeln nun heftig. 2016? Vergiss es. 2017? Zunehmend fraglich.

Die CDU verdirbt sich die Ferien

In der Stadt geht die Bauerei dagegen ferienbedingt richtig los, Stadtautobahn, S-Bahn, U-Bahn – eine Art Wettbewerb um die effektivste Blockade des Nord-Süd-Verkehrs egal welcher Art. Während der Regierende in Wannsee den Beginn der Dreharbeiten für die nächste Staffel von „Homeland“ feiert, machen die echten Sicherheitskräfte Überstunden, finden in Schöneberg 4,5 Kilo Crystal Meth und in der Gefängnisdruckerei Tegel Haschisch, Heroin, Handys und Schnaps. Der Tatverdächtige in diesem Knast-Fall ist angeblich ein polizeibekannter Angehöriger einer arabischen Großfamilie, der dort hart an seiner Resozialisierung arbeitet.

Während sich die Zahl der in Berlin eintreffenden Flüchtlinge von Tag zu Tag erhöht und die Verantwortlichen allmählich nervös werden, verdirbt sich die CDU die Ferien mit einer Mitgliederbefragung zur Homo-Ehe, die mit 45 Prozent „Stimme überhaupt nicht zu“ eher retro endet; allerdings bringt das seltsame Frageraster auch viel Teils-teils und Eher nicht. Man wird vermuten dürfen, dass das alles rasch im Parteiarchiv versenkt wird, Ablage P.

Neu: Makkabiade. Alt: Schlachtensee. Retro: Love Parade.

Auch retro, aber lustiger: Am 25.Juli wummert sich die neue Love Parade in den abendlichen Gewittersturm hinein, 25.000 Teilnehmer werden gezählt, Probleme gibt es nicht. Zahlenmäßig nicht ganz so groß, aber doch von größerer Bedeutung ist die Makkabiade, das jüdische Weltsportfest, das am 27. Juli beginnt. Im Hintergrund steigen währenddessen die Flüchtlingszahlen: 4000 Asylanträge werden für den gesamten Juli in Berlin prognostiziert, aber das ist erst der Anfang.

Auch andere Berliner Dauerthemen flackern immer mal wieder auf: Eine Blinde berichtet im Tagesspiegel, wie sie und ihr Führhund am Schlachtensee angepöbelt werden, und im Görlitzer Park schießt ein Polizist einem Angreifer ins Bein. Ins Bein geschossen wird auch anderswo, beispielsweise am Olivaer Platz, wo sich am 29. Juli eine 62-jährige Passantin eine Kugel fängt. Wer abgedrückt hat und warum, bleibt offen: Alle reden von organisierter Kriminalität, aber keiner weiß nix Genaues nicht – was für organisierte Kriminalität spricht. Tage später gibt es immerhin einen Verdacht, der auf einen bekannten Intensivtäter deutet, nein, nicht den aus Tegel, der sitzt ja da.

Die Hitzewelle rollt an - und die Ventilatoren sind ausverkauft

Die Suche nach Flüchtlingsunterkünften wird intensiviert, sogar der Begriff „händeringend“ fällt. Eher ins Fäustchen lachen werden sich dagegen die Makler, die laut einer parlamentarischen Anfrage für die Vermittlung von drei Unterkünften 185 000 Euro Staatsknete kassiert haben. Anfang August kommen bereits 400 Flüchtlinge täglich in Berlin an – sie campieren zum Teil vor dem für sie zuständigen Landesamt in Moabit.

Gemütlich ist es da nicht, zumal der 7. August extreme Temperaturen bringt. Ob die 38,9 Grad nun wirklich Rekord bedeuten, bleibt offen, denn die Messstelle Kaniswall, wo sich die Erhitzung ereignete, existiert erst seit 1996. Die nächste Hitzewelle rollt gleich hinterher, kein Problem für Autofahrer mit Klimaanlage, die im Stau rund um die Weddinger Bösebrücke hängen – dort beginnt am 10. August die Grundsanierung. Ventilatoren und Klimageräte fürs traute Heim sind indessen ausverkauft – schauen Sie mal nächstes Jahr wieder rein!

Die Berlin-Touristen warten nicht auf 2016: Schon das erste Halbjahr des laufenden Jahres bringt wieder Rekordzahlen, die hochgerechnet auf 30 Millionen Übernachtungen fürs ganze Jahr hinauslaufen. Der Senat preist solche Sachen schon mal ein und beschließt am 11. August, künftig 1,75 statt bisher 1,4 Milliarden für öffentliche Investitionen auszugeben.

Die Ferien enden, die Stadt wird nervös

Auf dem nördlichen Berliner Ring, Dreieck Barnim, sterben am 14. August sechs Bulgaren bei einem Autounfall. Zwei Tage später verdient sich das RAW-Gelände an der Revaler Straße auch öffentlich seinen Stempel als Problemkiez, denn zwei Touristen, die einen Taschendieb festhalten wollen, werden plötzlich von einer ganzen Gruppe verprügelt. Und ein Freund der Rocksängerin Jennifer Weist wird dort in einer ähnlichen Situation von einem Messerstecher am Hals verletzt – später wird ein 15-Jähriger als Mittäter festgenommen. Und plötzlich haben alle Ortskenner schon immer gesagt, dass da was in die Grütze geht an der Revaler.

Das Ende der Berliner Ferien wird von zunehmend nervöserer Stimmung überschattet. In Nauen brennt eine Turnhalle nieder, die für Flüchtlinge gedacht war, der Staatsschutz ermittelt. In Wittenau brennt ebenfalls eine Turnhalle. Die wurde aber von Kindern angesteckt, wie jetzt herauskam. Und Murnaus Kopf bleibt weiter verschwunden.

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