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Berlin: Die Finanzsenatorin kündigt weitere Kürzungen an und gibt der Schule mehr Geld

Annette Fugmann-Heesing, 44, ist seit Januar 1996 Finanzsenatorin in Berlin. Sie trat ihr Amt mit dem erklärten Ziel an, dien notleidenden Landeshaushalt zu konsolifdieren.

Annette Fugmann-Heesing, 44, ist seit Januar 1996 Finanzsenatorin in Berlin. Sie trat ihr Amt mit dem erklärten Ziel an, dien notleidenden Landeshaushalt zu konsolifdieren. Zuvor war sie Ministerin in Hessen. Mit der Finanzsenatorin sprachen Lorenz Maroldt und Ulrich Zawatka-Gerlach.

Frau Fugmann-Heesing, Sie haben Klarheiten und Wahrheit für das Jahr 2000 versprochen. Aber ein Haushaltsentwurf des Senats ist nicht in Sicht.

Ich habe sehr schwierige Gespräche mit den anderen Senatoren geführt, in denen viel gefordert worden ist, aber wenig angeboten wurde. Ich erwarte aber, dass der Senat sich den konkreten Finanzproblemen stellt und habe meinen Haushaltsentwurf für die Sitzung am nächsten Dienstag angemeldet - rechtzeitig für eine Erörterung im Parlament vor den Wahlen. Er sieht ein Haushaltsvolumen von rund 40 Milliarden vor, es gibt einen Restentscheidungsbedarf von 1,1 Milliarden. Der Senat muss sich klar zur Personalentwicklung in der Berliner Verwaltung äußern.

Geht es im Jahr 2000 ohne Vermögensverkäufe?

Nein. 2,1 Milliarden müssen aus der Vermögensaktivierung in den Landeshaushalt fließen, hinzu kommt ein Betrag aus Grundstücksverkäufen. Ich gehe auch davon aus, dass der Liegenschaftsfonds Mitte nächsten Jahres eingerichtet wird. Auch dazu muß der Senat eine klare Aussage treffen.

Gibt es Bereiche, die von Ausgabenkürzungen ausgenommen sind?

Der Etat 2000 ist ein Haushalt für Arbeit und Bildung. Das Etatvolumen der Schul- und Bildungsressorts wird im Vergleich zu 1999 steigen, weil wir den jungen Menschen bessere Chancen bieten wollen. Wir müssen auch einen Schwerpunkt bei der Sanierung der Schulen setzen. Der Etat der Arbeitssenatorin bleibt gleich hoch.

Andere Schwerpunkte . . .

Wir haben eine sehr positive Entwicklung in der Kultur. Die Absenkung des Etats um 20 Millionen Mark im Jahr 2000 gegenüber 1999 müssen zwar umgesetzt werden, aber 40 zusätzliche Millionen aus dem Bundeshaushalt für die Hauptstadtkultur sollen voll der Berliner Kultur zugute kommen, da wird nichts abgeschöpft.

Wie kommt es eigentlich, dass die Ressortgespräch so geräuschlos verlaufen sind? Da waren wir aus den vergangenen Jahren doch ganz anders gewöhnt. Haben die Kollegen dazu gelernt?

Niemand wollte dieses Mal öffentlichen Streit. Ich weise aber darauf hin, dass noch 1,1 Milliarden Mark einzusparen sind.

Sie haben doch sicher Vorschläge, wo diese 1,1 Milliarden Mark herkommen können?

Ich hatte bisher genug damit zu tun, die Forderungen der Kollegen nach mehr Geld zurückzuweisen. Das ist hier keine One-Woman-Show, da ist die Gesamtverantwortung des Senats gefragt. Wer den Eindruck erweckt, man könne wieder was draufpacken, der streut den Menschen Sand in die Augen.

Welche Senatskollege hat Ihnen die meiste Mühe bereitet?

Die Gespräche mit dem CDU-Wirtschaftssenator waren besonders schwierig. Mein Eindruck: Er hatte kein Mandat. An ihm zerren viele, in Partei und Fraktion.

Ging es bei den Senatoren leichter, die künftig voraussichtlich nicht mehr sitzen?

Wer weiß, wie die Wahl ausgeht? Alle haben ihr Ressort sehr entschieden vertreten.

Wie lief es denn mit Innensenator Werhebach beim Thema Stellenabbau? Der möchte doch Polizei und Feuerwehr unangetastet lassen.

Kein Bereich kann generell ausgenommen werden. Die Polizei hat immer noch eine sehr besondere personelle Ausstattung.

Mit dem Innensenator hatten Sie sich ja schon vor den Sommerferien in der Wolle wegen der neuen Vereinbarung mit den Gewerkschaften über den Öffentlichen Dienst.

Wir haben vor allem die Verpflichtung, etwas für junge Menschen zu tun. Wenn man mit den Gewerkschaften Vereinbarungen abschließt, darf das nicht dazu führen, dass das Land als größter Arbeitgeber Berlins der jungen Generation die Tür vor der Nase zuschlägt. Der öffentliche Dienst darf nicht zu einer geschlossenen Veranstaltung werden. Zum Beispiel muss festgelegt werden, wie auf die Beschäftigten mit sicherem Arbeitsplatz eingewirkt werden kann, um Einstellungskorridore zu schaffen.

Wie denn?

Über Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse, über Einstellungsteilzeit und anderes. Herr Werthebach hat solche Vorschläge den Gewerkschaften aber nicht gemacht.

Was wird in den kommenden Jahren auf Berlin noch zukommen?

1996 habe ich einen Haushalt übernommen, bei dem zwölf Milliarden Mark Ausgaben nicht durch Einnahmen gedeckt waren. Dieses strukturelle Defizit haben wir bis 1999 auf 6,8 Milliarden Mark reduziert. Das ist einmalig in der Bundesrepublik. Wir haben bis 1996 einen Anstieg der Personalausgaben gehabt und haben es dann ab 1997 geschafft, die Personalausgaben zurückzuführen. Die Ausgaben des Gesamthaushalts werden im Jahre 2000 unter denen von 1993 liegen. Bei den Steuereinnahmen liegen wir leider immer noch unter dem Stand von 1994. Das widerspiegelt die wirtschaftliche Entwicklung in Berlin. Das kann man auch nicht dem Wirtschaftssenator allein vorwerfen, er ist ja auch erst seit einem Dreiviertel Jahr im Amt. Außerdem haben sich die Zinsausgaben gegenüber 1994 verdoppelt: Fast jede vierte Mark an Steuereinnahmen müssen wir für Zinsen ausgeben.

Das ist die Bilanz, aber was kommt denn nun auf Berlin noch zu?

Der Kurs der Haushaltskonsolidierung muss konsequent fortgesetzt werden. Die Neuverschuldung muss Jahr für Jahr zurückgefahren werden, die Ausgaben sind weiter zu reduzieren. Dazu brauchen wir eine Bundespolitik, die volkswirtschaftlich den richtigen Rahmen setzt, so, wie es die Regierung Schröder will: Die unteren und mittleren Einkommen brauchen deutlich mehr Kaufkraft, die Unternehmen müssen steuerlich international wettbewerbsfähig sein. Deshalb wundere ich mich, warum sich der Regierende Bürgermeister gegen das Programm "Zukunft 2000" wendet. Er hat es sich wohl nicht richtig angeguckt.

Ist beim Personalabbau nicht bald Ende der Fahnenstange?

Ich habe mich mit dem Innensenator verständigt: Auch im Jahr 2000 werden 3750 Stellen abgebaut. Und meines Erachtens muss es auch in den nächsten Jahren einen Personalabbau in erheblichem Umfang geben. Ob das 3700 Stellen pro Jahr sind oder 2500, hängt von den Einnahmen ab.

Wie werden sich die Investitionsausgaben mittelfristig entwickeln?

Das Thema Investitionen wird immer als Fetisch aufgebaut. Wenn wir ein Schulsanierungsprogramm machen, dann ist das keine Investition, das sind konsumtive Mittel. Diese sind aber mindestens so nachfragewirksam und arbeitsplatzfördernd wie ein 100-Millionen-Bauprojekt, das an irgendeine Arbeitsgemeinschaft vergeben wird. Wir können die investiven Ausgaben weiter zurückführen, ohne dass wir die Qualität verschlechtern. Wir müssen weniger in Beton und mehr in Köpfe investieren.

Wo sehen Sie denn, abgesehen vom Personal, noch Sparmöglichkeiten im Haushalt?

Wir müssen überall weiter kürzen: bei den konsumtiven Sachausgaben, den Investitionen und beim Personal. Es müssten sämtliche Leistungen, die das Land in Auftrag gibt, ausgeschrieben werden. Das gilt auch für Vorhaben zur Verbesserung der sozialen Infrastruktur. In anderen Bereichen hat der Wettbewerb zu Preissenkungen geführt. Das wird bei sozialen Dienstleistungen so nicht der Fall sein, aber ich wünsche mir einen echten Qualitätswettbewerb.

Im Rückblick auf die Wahlperiode: Was würden Sie aus heutiger Sicht anders machen?

Ich würde noch entschiedener auftreten. Meine Erfahrung: Wenn man nicht rechtzeitig seine Forderungen auf den Tisch legt, werden viele Probleme verschleppt. Ich hatte im Frühjahr 1996 eine neue Krankenhausplanung und einen Ausstieg aus dem sozialen Mietwohnungsbau gefordert, die Notwendigkeit war klar, aber ich bin zu leise aufgetreten. Wertvolle Zeit ging verloren und wir haben unnötig viel Geld ausgegeben. Ich habe auch gelernt, dass man Vieles, was der CDU-Fraktionschef Landowsky in der Berliner Politik sagt, nicht so ernst nehmen sollte.

War es nicht ein Fehler, dass die Berliner SPD das unpopuläre Finanzressort besetzt hat?

Die Finanzpolitik ist das Fundament. Wer die Finanzen nicht in Ordnung bringt, kann auch eine Stadt wie Berlin nicht wirtschaftlich nach vorn bringen. Es war völlig richtig, dass die SPD dieses Ressort übernommen hat, und es ist genauso richtig, wenn die SPD das Finanzressort weiterführt. Wir Sozialdemokraten sind in allen für die Struktur der Stadt entscheidenden Fragen treibende Kraft gewesen.

Sie wollen also Finanzsenatorin bleiben, eventuell noch das Wirtschaftsressort übernehmen oder wenigstens den Personaletat. . .

Ich bin 1996 angetreten mit dem Ziel, den Haushalt zu sanieren und selbstverständlich möchte ich diesen Weg, der mindestens zur Hälfte erfolgreich zurückgelegt ist, gern fortsetzen. Der Zuschnitt der künftigen Senatsressorts wird zwischen den künftigen Koalitionspartnern ausgehandelt.

Hat die Berliner SPD nicht den Fehler gemacht, ihren reformerischen Anspruch in den vergangenen Jahren fast ausschließlich über die Finanzpolitik zu definieren?

Finanzpolitik ist nicht alles, aber sie ist Grundbedingung für eine zukunftsorientierte Politik. Ich habe 1996 einen Mentalitätswechsel - auch in meiner Partei - gefordert, es hat innerhalb der SPD einen intensiven Diskussions- und Veränderungsprozeß gegeben. In eine positive Richtung, die in der nächsten Wahlperiode weiter verfolgt werden sollte. Die Frage, wie man dies öffentlich vermittelt, spielt natürlich eine Rolle.

Mit wem wäre es denn leichter, Ihre Politik fortzuführen: Mit den Grünen oder der CDU?

Haushaltssanierung ist immer eine schwierige Sache. Das war mit der CDU nicht leicht und mit den Grünen gäbe es sicher auch Konflikte. Zum Beispiel bei der Privatisierung öffentlichen Vermögens. Aber ich bin sicher, dass die Grünen auch das lernen würden.

Da kommt es Ihnen gerade recht, dass die Grünen-Finanzexpertin Michaele Schreyer die Stadt verlassen hat?

Nein. Ich freue mich, dass eine Berlinerin in der EU-Kommission sitzen wird. Ich habe Frau Schreyer und ihren Sachverstand immer sehr geschätzt und weiß, dass sie in den eigenen Reihen manchen finanzpolitischen Konflikt austragen musste.

War der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen ein guter Partner beim Sparen?

In der Finanzpolitik musste ich immer die treibende Kraft sein.

Ein Wort zu Ihrem langjährigen politischen Freund, dem heutigen Finanzminister. Haben Sie mehr von ihm gelernt oder er von Ihnen?

So eine Frage beantworte ich nicht. Die Probleme, die im Bund liegengeblieben sind, werden jetzt endlich angepackt, das ist das Wichtigste. Ich bin sicher, dass die Bevölkerung trotz der schwierigen Diskussionen erkennen wird, dass der Kurs der Haushaltskonsolidierung alternativlos ist. Wer die Probleme jetzt nicht löst, hinterlässt der nächsten Generation einen Scherbenhaufen.

Hätten Sie nicht doch Lust, da mitzumischen?

Ach, nun kommt das schon wieder. Glauben Sie doch nicht den Gerüchten, die Herr Landowsky unentwegt in die Welt setzt. Ich mische bundespolitisch schon mit: Im SPD-Präsidium, im Kontakt mit dem Bundesfinanzminister, in der Finanzministerkonferenz des Bundes und der Länder.

Was bedeutet der strikte Konsolidierungskurs des Bundes für Berlin?

Es hat keinen Sinn, Politik auf Illusionen aufzubauen: Der Bund wird keine zusätzlichen Milliarden rüberschieben. Wir bekommen jährlich über vier Milliarden Mark Bundesergänzungszuweisungen und Finanzminister Eichel hat bereits erklärt, dass es über 2004 hinaus eine besondere Förderung des Bundes für die Ost-Länder geben wird, übeer die Größenordnung muss noch verhandelt werden. Zunächst ist das Bundesverfassungsgericht am Zug, das im September über die Klagen von Bayern, Baden-Württemberg und Hessen berät und sich auch zu den Bundesergänzungszuweisungen äußern wird. Im Streit um den Länderfinanzausgleich empfehle ich den klagenden Südländern, sich das Grundgesetz genauer anzusehen: In der Verfassung ist kein Wettbewerbsföderalismus, sondern ein kooperativer Föderalismus festgeschrieben. Das sollte der Regierende Bürgermeister Diepgen bald einmal mit seinen CDU-Amtskollegen besprechen.

Frau Fugmann-Heesing[Sie haben Klarheiten], Wah

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