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Emissionsfrei entdecken. Ein Schwerpunkt der Nordirin ist der Kampf gegen den Klimawandel. Um Berlin zu erkunden, nimmt sie darum gerne das Rad.

© Sven Darmer

Die Frau fürs gute Klima: Jill Gallard ist Großbritanniens neue Botschafterin in Berlin

Die britische Botschafterin hat Berlin bislang fast nur im Lockdown erlebt. Sie weiß genau, was sie als erstes tut, sobald das Leben wieder hochfährt.

Worauf sie sich am meisten freut, wenn die Pandemie endlich vorbei ist? Die neue britische Botschafterin Jill Gallard muss nicht lange überlegen: „Endlich mal im Café sitzen!“ Den fragenden Gesichtsausdruck ihres Gegenübers am fernen Bildschirm deutet sie auch im Videocall genau richtig. Doch, sie möge auch Tee sehr gerne, beschwichtigt sie.

Die deutsche Kaffee-und-Kuchen-Kultur hat es ihr aber schon lange angetan. Mehr noch als die berühmten Berliner Bars und Restaurants will sie die Cafés erkunden. „Vielleicht hängt meine Liebe zum Kaffee damit zusammen, dass ich als Erwachsene in so vielen europäischen Ländern gelebt habe“, sagt sie.

Seit Mitte November, seit fast einem halben Jahr, ist Jill Gallard schon Botschafterin in Berlin. Gemeinsam mit ihrem Mann, der für das britische Innenministerium arbeitet und ihren beiden Söhnen im Alter von 10 und 12 Jahren ist sie in die Residenz im Grunewald gezogen, in der auch schon die Queen übernachtet hat. Sie fühle sich ganz zu Hause dort, sagt sie, und das ist auch gut so.

Nur etwa zweimal pro Woche fährt sie während der langen Zeit des Lockdowns in die Botschaft in die Wilhelmstraße. Den beiden Söhnen hat sie die Geschichte des Hauses gleich anfangs erklärt. „Wir empfinden es als großes Privileg, dort wohnen zu können und freuen uns schon auf den Tag, an dem wir endlich Gäste empfangen können.“

Ein umweltfreundliches Leben

Die ganze Familie liebt die Lage am Grunewald, weil man so gut joggen und spazieren kann dort. Vielleicht auch, weil die Familie sehr bemüht ist, ein möglichst umweltfreundliches Leben zu führen. „Wir probieren, eine grüne Familie zu sein.“ Sie zeigt sich beeindruckt, was die Kinder in dieser Hinsicht in der Schule lernen.

Die Botschafterin ist immer wieder fasziniert davon, wie ihre Jungs bemüht sind, achtlos weggeworfene Plastikflaschen einzusammeln. So lernt sie von ihren Kindern nicht nur, wenn es um digitale Technologie geht.

Besuch im Pergamon-Museum

Umgekehrt war sie, wie so viele andere Eltern während des Lockdowns über lange Strecken gemeinsam mit ihrem Mann als Lehrerin tätig. „Wir helfen bei den Hausaufgaben, er bei Mathe, ich bei Englisch und Sprachen.“ Ein familiärer Höhepunkt war bislang der gemeinsame Besuch des Pergamon-Museums, wo es natürlich wegen der Hygiene-Regeln auch nicht so voll war wie sonst.

Lust auf Reisen durch Deutschland

Auf die Reisen durch Deutschland freut sie sich ebenfalls sehr. „Eine Botschafterin sollte nicht nur in der Hauptstadt sein“, sagt Jill Gallard. Die Lust aufs Reisen, die Freude daran, ganz unterschiedliche Menschen kennenzulernen, waren letztlich ausschlaggebend dafür, dass sie sich für den Diplomatenberuf entschieden hat.

Dialog statt Kampf

Sie war 21 Jahre alt, studierte in Edinburgh Französisch und Spanisch, als eine Freundin mit einer Broschüre über den diplomatischen Dienst vorbeikam. „Das ist es!“, dachte sie. Vielleicht habe es auch ein bisschen mit ihrer nordirischen Herkunft zu tun, sagt sie. Dadurch habe sie schon früh gelernt, wie wichtig es sei, Dialoge zu führen, statt zu kämpfen.

Das Karfreitagsabkommen von 1998 sei für ihre Generation und für sie persönlich ein ganz besonders wichtiger Moment gewesen: „Frieden!“ Sie hält einen Moment inne und vergewissert sich noch mal, ob sie auch das richtige deutsche Wort dafür gefunden hat.

An die Stelle von Empfängen traten Zoom-Konferenzen

Während es außerhalb von Pandemie-Zeiten praktisch jeden Tag Empfänge gibt, Mittag- oder Abendessen, bei denen Diplomaten zusammenkommen und sich austauschen, konnte sie in ihren ersten fünf Monaten nur eine Handvoll Kollegen bei Spaziergängen oder Zoom-Konferenzen kennenlernen.

Globale Herausforderungen

Wichtig war ihr die Begegnung mit dem Botschafterkollegen der Republik Irland. „Wir sind Nachbarn – in der Heimat und im Grunewald.“ Beim G7-Gipfel in Cornwall wird im Juni mit Jo Biden voraussichtlich erstmals der neue US-Präsident dabei sei. Unter anderem soll es dabei um die Impfstoff-Hilfe für Entwicklungsländer gehen. Und auch darum, wie man nach der Coronakrise die Welt besser gestalten kann. Covid habe gezeigt, dass sich die neuen globalen Herausforderungen nur gemeinsam bewältigen ließen.

Neue Austauschprogramme

Zu den Folgen des Brexit befragt, sagt sie, es sei eine demokratische Entscheidung gewesen: „Jetzt ist es wichtig, ein neues Kapitel aufzuschlagen“. Erasmus – das Austauschprogramm für Studierenden – sei finanziell nicht weiterzuführen gewesen. Es werde in Zusammenarbeit mit dem British Council neue Austauschprogramme zwischen Universitäten geben, um die Partnerschaften fortzusetzen. Sie sei beeindruckt, wie viele deutsche Unternehmer, Journalisten und Politiker in Großbritannien studiert hätten.

Frauen haben aufgeholt

Gallard ist die erste Frau, die Großbritannien in Berlin diplomatisch vertritt. Gallard wirkt fröhlich und schwungvoll mit mittellangem, glattem blondem Haar und modischer Brille. Noch bis 1972 hätten Frauen aus dem diplomatischen Dienst ausscheiden müssen, sobald sie heirateten, erzählt sie. Inzwischen sind 30 Prozent der Stellen durch Botschafterinnen besetzt. Die 52-Jährige war unter anderem in Madrid, Brüssel, Lissabon und Prag stationiert. Hat dafür zusätzlich portugiesisch und tschechisch gelernt.

Anstrengungen für den Klimaschutz

Zu einem ihrer Schwerpunkte als Botschafterin gehören die gemeinsamen Anstrengungen zum Klimaschutz. Auch da wartet ein Höhepunkt: die um ein Jahr wegen Corona verschobene, im November stattfindende UN-Klima-Konferenz COP26 in Glasgow. Wichtige Ziele gebe es zu erreichen. „Es ist ganz wichtig, auch die Zivilgesellschaft einzubeziehen“.

Grüne Technologien

Die Länder sollen mit ihren Finanzmitteln helfen, die Auswirkungen in den am schlimmsten vom Klimawandel betroffenen Regionen zu lindern. Der Einsatz erneuerbarer Energien zählt ebenfalls dazu. Am Ostermontag habe es so viel Sonne und Wind gegeben, dass in Großbritannien 80 Prozent erneuerbare Energien zum Einsatz gekommen seien, erzählt Gallard. Und schließlich gehe es um sauberes Wachstum, um Investitionen in grüne Technologien.

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Was den Verkehr und die Förderung emissionsfreier Fahrzeuge betrifft, hat sie zwei Paradebeispiele, die Großbritannien mit Berlin verbinden. Ursprünglich sollte das Interview in einem der neuen klimafreundlichen Busse aus Schottland stattfinden, die gerade aus Großbritannien nach Berlin importiert wurden. Neuerdings kann man sich auch in Berlin in elektrisch betriebenen echten Londoner Taxis stilvoll zu einem Termin oder einer Verabredung chauffieren lassen.

Spaß an Radtouren

Bis das öffentliche Leben aber wieder anläuft, kann es noch dauern. In ihrer Freizeit liest die Botschafterin gerne, hört klassische Musik, spielt selbst Klavier. Während der Universitätsjahre hat sie auch im Chor gesungen. Einen Hund gibt es noch nicht in der Residenz. Die Söhne wünschten sich zwei Katzen, aber wegen der Pandemie haben sie den Kauf verschoben.

Fahrräder im Zug

Einen Privatwagen besitzt die Familie ebenfalls noch nicht. Das kommt wohl noch, aber das öffentliche Nahverkehrssystem in Berlin sei fantastisch. „Es ist zudem so einfach hier, mit dem Rad zu fahren. Die Autofahrer sind sehr aufmerksam.“ Gallard freut sich schon darauf, mit der ganzen Familie den Mauerweg abzuradeln, und die Räder im Zug mitzunehmen auf Ausflüge. Das sei einfacher hie als in London. Für weitere Strecken gibt es in Berlin immerhin auch das Angebot, sich mit einem britischen Taxi herumfahren zu lassen – natürlich ein E-Auto. (Jeder kann es bestellen unter: 0172 / 97 77 77 1.)

Die Botschafterin spricht deutsch

Das Hintergrundbild beim Call zeigt das Brandenburger Tor. Dreht sie den Kopf etwas zu Seite, erscheint dort ein Bild von ihr selbst, aufgenommen am Volkstrauertag 2020, als sie Prinz Charles und die Herzogin von Cornwall zum Bundestag begleitete. Dass der Prinz deutsch gesprochen habe, sei emotional wichtig gewesen, sagt sie. Auch die Botschafterin spricht deutsch beim Interview. Nur sechs Monate hat sie gebraucht, um die Sprache zu lernen. Manchmal muss sie einen Moment nachdenken, um das richtige Wort zu finden, aber es geht flüssig voran.

Gemeinsame Werte

Es gebe viele Gemeinsamkeiten, bei den Interessen, den Werten, der Sicherheits- und Außenpolitik zwischen Großbritannien und Deutschland. Insofern war ihr erstes Erlebnis als Botschafterin vielleicht wegweisend für ihre vierjährige Amtszeit. Prinz Charles habe ihr aus dem Herzen gesprochen, als er sagte, dass die beiden Länder immer Freunde, Partner und Verbündete bleiben werden.

Der traditionelle Queens Birthday Empfang im Juni werde wohl noch einmal ausfallen müssen in diesem Jahr. Gallard freut sich aber auf die zweite Jahreshälfte, wenn es wieder Begegnungen und so Gelegenheiten geben wird für den ausführlichen und informellen diplomatischen Austausch.

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