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Berlin: Die Frau vom Laufsteg

Kristin Feireiss war wenig begeistert vom Potsdamer Platz. Jetzt stellt sie seine Architektur aus

Die Leute sollen über den Architektur-Laufsteg stolpern, statt ihn erst zu suchen oder gar zu verpassen. Deshalb hat Kristin Feireiss ihn nicht ins abgeschlossene Debis-Atrium bauen lassen, sondern mitten in die Potsdamer-Platz-Arkaden: 30 Meter lang, einszwanzig breit, 80 Zentimeter höher als das übrige Erdgeschoss der Einkaufsmeile und ab heute Abend rund um die Uhr geöffnet. Die Eiligen oder Bepackten können einfach zwischen den Fotos und Miniatur-Modellen durchmarschieren – 15 Jahre in zwei Minuten. Wer es genauer wissen will, bekommt zusätzlich Info-Texte, Videofilme und Ausgrabungsstücke wie Töpfe und Tassen geboten. Eben alles, was mit der Wiederbelebung des Potsdamer Platzes zu tun hat – von den ersten Verhandlungen um die brach liegenden Grundstücke vor 14 Jahren bis zum prallen Leben von heute.

Ins Gästebuch am Ende des Laufsteges können die Leute schreiben, wie sie den Potsdamer Platz finden. Nörgeln ändert zwar nichts mehr, aber Kristin Feireiss will die Architektur wenigstens im Nachhinein ein wenig demokratisieren. Dieser Wille hat die 61-Jährige überhaupt erst zur Architektur gebracht: Warum ist es scheinbar selbstverständlich, dass Gebäude und Stadtviertel in geschlossener Gesellschaft geplant und dann dem verdutzten Volk vor die Nase gesetzt werden, auf dass es die nächsten Jahrzehnte damit lebe?, fragte sich die Lokaljournalistin und widmete sich der Architektur. Als interessierter Laie, nicht als Fachfrau.

Von 1996 bis 2001 hat sie das Nationale Architekturmuseum der Niederlande in Rotterdam geleitet. Jetzt reist sie, die Häuser und Städte nicht plant, sondern immer nur zeigt und beurteilt, durch die Welt, befindet in Jurys über Opernhäuser in Sankt Petersburg oder Bürotürme in Peking und verleiht Preise. Nebenbei kümmert sie sich um ihre ursprüngliche Aufgabe: Dem Volk vorab zu zeigen, was wo gebaut wird und warum es so aussieht, wie es aussieht.

„Aedes“ nannte sie ihre Galerie, die sie 1980 in der Charlottenburger Grolmanstraße gründete. „Aedes“ steht im Lateinischen für Dom oder Gewölbe – und im Deutschen ganz vorn im Alphabet und folglich auch in den Veranstaltungskalendern. Bald zog die Galerie in die strategisch günstiger gelegenen S-Bahn-Bögen am Savignyplatz, 1995 kam die Filiale „Aedes East“ in den Hackeschen Höfen hinzu. „Das Interesse der Menschen ist groß, aber die Finanzierung ist schwierig“, sagt sie. Der Eintritt für Besucher ist frei. Manchmal lassen Betonfirmen etwas springen, und für die aktuellen Ausstellungen – Stadtplanung in Indien und China – gab’s Geld aus dem Hauptstadtkulturfonds.

Für das Projekt „Architekturlaufsteg“ sei Daimler-Chrysler auf sie zugekommen. Sie hat für den Konzern schon einmal eine Blitz-Ausstellung gestemmt, als Renzo Piano den Wettbewerb für das Quartier gewonnen hatte. Inzwischen kann Feireiss auch ideologisch als geeignet gelten. „Beim Potsdamer Platz war ich immer sehr kritisch“: zu wenig Wohnungen, fragwürdiges stilistisches Ensemble, sagt sie. „Aber am Ende ist es was unheimlich Lebendiges geworden. Das macht einen Stadtteil ja aus.“

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