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Berlin: Die Freiheit zur Religion (Kommentar)

Werden nun die Islamisten die Berliner Schulen überrennen? Zum zweiten Mal ist das Land vor Gericht unterlegen - gegen die "Islamische Föderation".

Werden nun die Islamisten die Berliner Schulen überrennen? Zum zweiten Mal ist das Land vor Gericht unterlegen - gegen die "Islamische Föderation". Der muss es künftig gestattet werden, an Berliner Schulen Religionsunterricht zu erteilen, wie übrigens jedem Club, der sich - und sei es verfassungswidrig - um einen, auch um irgendeinen Glauben sammelt. Ist das richtig? Zugespitzt: Was geht den Staat die Religion an? Nichts! Also kein Religionsunterricht an Schulen? Doch, gerade deshalb. Warum?

Erstens: Die Menschen sollen allein nach ihrer Facon selig werden. Folglich hat der Staat nicht zu bestimmen, was Inhalt einer Religion ist - und was im Religionsunterricht zu lehren ist. Hier gilt die strikteste Trennung von Kirche und Staat. Basta.

Zweitens: Dann also gar kein Religionsunterricht an Schulen? Doch! Denn gar kein Religionsunterricht - das ist auch nur eine Religion, und zwar des Inhalts: Erst wer gar keine Religion hat, ist ein vollwertiger Mensch. Auch für diese Pseudo-Religion hat der Staat keine Kompetenz. Er ist nicht nur keine Religionsgemeinschaft, sondern auch keine Pseudo-Religionsgemeinschaft.

Drittens: Wenn der Staat weder eine Religion noch Religionslosigkeit zum Programm erheben darf, ergibt sich logisch: Die Schüler haben einen Anspruch auf religiöse Bildung an der Schule - was aber Inhalt dieser freiwilligen religiösen Bildung ist, bestimmt nicht der religiös blinde Staat, sondern nur die jeweilige Religionsgemeinschaft.

Viertens: Wenn der Staat Religion weder dekretieren noch diskriminieren darf, dann darf er auch den Religionsunterricht weder dekretieren noch diskriminieren; er muss also für Schüler und Eltern freiwillig bleiben, er darf aber auch nicht schlechter gestellt werden als die übrigen Fächer. Er muss mindestens als Wahlpflichtfach erteilt werden: Wer Religionsunterricht möchte, bekommt ihn authentisch; wer ihn nicht wünscht, büffelt derweil Philosophie oder Ethik.

Also wäre der Ausgang des Rechtsstreits mit der "Islamischen Föderation" zu begrüßen? Nein. Denn um ein geordnetes Verhältnis der freien Partnerschaft in der strikten Trennung gestalten zu können, braucht der Staat verfassungsgetreue Partner auf der Seite der Religionsgemeinschaften. Und die Partnerschaft braucht eine solide, das heißt: eine gesetzliche Grundlage, also ein Schulgesetz, das den Religionsunterricht nicht pseudo-religiös ausblendet. Sonst kommt das Land Berlin mangels eines aussagefähigen Schulgesetzes in eine peinliche Lage. Statt in einer verlässlichen Partnerschaft, lebt der Staat auf einmal in einer wilden Ehe, in einer unübersichtlichen Vielweiberei mit allerlei Religionsgemeinschaften. Genau das kommt heraus, wenn man nach der Parole leben wollte: kein ordentlicher Religionsunterricht an Schulen. Wir setzen die Diskussion morgen im Berlin-Teil fort.

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