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Berlin: Die große Rutsch-Party

Eine Million Menschen feierte rund um das Brandenburger Tor ins Jahr 2004 hinein. Unten spielten Oli P. und die Puhdys, auf dem Hochseil drehten die Traber ihre Salti.

Ein Meer aus Menschen wogt Unter den Linden, dichter Qualm explodierter Böller wabert über ihren Köpfen, ohrenbetäubender Lärm erfüllt die Luft. Es ist noch eine halbe Stunde bis Mitternacht. „Einer geht noch, einer geht noch rein!“, singt ein Pulk Feiernder. Einer mag ja noch in die Menge hineinpassen, die hier bis zur Straße des 17. Juni dem neuen Jahr entgegenschunkelt, aber mehr nicht. Der Weg zum Brandenburger Tor ist nichts für Menschen, die ungern auf Tuchfühlung gehen. Obendrein müssen alle, die auf die Feiermeile wollen, eine Taschenkontrolle über sich ergehen lassen. Ordner gucken in jedes Behältnis, denn Böller sind verboten. Trotzdem knallt es fast pausenlos hinter der Absperrung. Ein Feuerwehrwagen fährt mit jaulender Sirene an die Menge heran, ein Verletzter muss dringend ins Krankenhaus.

Mitten in der Menge versuchen Doris Warnstedt und ihre Freundinnen aus Frankfurt am Main die Stellung zu halten. Aber das ist gar nicht so einfach, ständig drücken sich rufende und lachende Menschengruppen vorbei. Die Mädels packen sich bei den Händen, um nicht im Menschenmeer unterzugehen. Das verdirbt den Mädchen aber nicht die Laune. „Berlin ist Party hoch zehn, Frankfurt ist verglichen damit ein Dorf,“ sagt Doris, indem sie einen Blick auf die Bühnen zu erhaschen sucht. Insgesamt vier gibt es davon, im Laufe des Abends haben die Puhdys, Oli P. und Mr. President gespielt. Was müssen da Johann Traber und sein Sohn für einen Blick gehabt haben. Die beiden sind die Artisten, die auf dem Hochseil direkt am Tor ihre atemberaubenden Kunststücke vorführen. Am Ende werden die Veranstalter eine Million Menschen am grün-blau angestrahlten Denkmal gezählt haben.

Gleich neben den drei Frankfurter Mädchen steht eine Gruppe von Italienern. „Glückwunsch, ein historischer Moment ist das“, ruft Cosimo Resta. Er ist zum ersten Mal in Berlin. „Das Brandenburger Tor, das alles...“ Er breitet die Arme aus, greift nach einer Flasche, prostet seinen Nachbarn zu. Julie Wellink und Olaf van den Heuve aus Holland schreiben SMS nach Hause, das Handynetz ist aber überlastet. „Wir waren vor zehn Jahren auch schon einmal hier“, erzählt Julie Wellink, indem die Menge um sie herum zu zählen beginnt: „Drei, zwei, eins, nuuull!“ Menschen fallen sich in die Arme, es gibt Neujahrsküsse, Cosimo Resta telefoniert mit seinem Vater.

Die Menge wendet sich dem Großen Stern und dem Feuerwerk zu. Sterne fallen vom Himmel, Raketen zerplatzen in schillernden Fontänen, Myriaden Funken glitzern am Himmel. Nach zehn Minuten ist alles vorbei. Cosimo Resta entdeckt am Himmel das erste Flugzeug des Jahres und jubelt ihm zu. Die Menge wartet noch einige Minuten und strebt dann auseinander. Die einen Feiernden zieht es in Richtung Unter den Linden, zur Eisbar, die anderen wollen zu den Bahnhöfen Potsdamer Platz oder Friedrichstraße, um sich nach Hause oder zu einer der vielen Partys in den Clubs aufzumachen.

Der Mannschaftswagen der Polizei an der Ecke Ebertstraße wird zur Infozentrale und Treffpunkt. Über Lautsprecher wird eine Frau ausgerufen, kurzentschlossen klettert ein Mann aufs Dach des Autos und winkt in die Menge, um seine Gruppe wiederzufinden. Auf dem Potsdamer Platz können es zwei italienische Touristen gar nicht fassen. „Guarda, schau nur!“, schreit der eine begeistert seinem Freund zu. Vor ihnen liegt der Potsdamer Platz – begraben unter einer Schicht aus Dosen, Flaschen und Böllerhülsen.

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