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Berlin: Die Grünen mögen kleine Flügelkämpfe

Vor den Vorstandswahlen machen die Lager mobil

Von Sabine Beikler

Kopf allein genügt nicht. Grüne treffen gern Entscheidungen aus dem Bauch heraus. Deshalb ist der Ausgang parteiinterner Wahlen oft nicht vorhersehbar. Mal passte die Gruppendynamik nicht, wie vor zwei Jahren, als die Fraktion ihre langjährige Chefin Sibyll Klotz, heute Stadträtin, beinahe durchfallen ließ. Mal störte sich die Fraktion am allzu forschen Vorpreschen ihres Vorsitzenden Volker Ratzmann, der 2004 erst im dritten Wahlgang die notwendige Mehrheit erhielt. Am Dienstag stehen wieder Vorstandswahlen an. Und schon erleben die erlahmten Flügelkämpfe zwischen Realos und Linken eine Minirenaissance. Außer der als sicher geltenden Wiederwahl der Fraktionschefs Ratzmann und Franziska Eichstädt-Bohlig wird es zwei Kampfabstimmungen um die Stellen von zwei der drei Stellvertreter geben.

Mit den neuen Parlamentariern zogen im vergangenen Jahr verstärkt Grüne aus dem linken Flügel ins Abgeordnetenhaus ein, für die die schwarz-grünen Gedankenspiele der Realos nicht einmal ansatzweise diskutabel sind. Die Linken machen etwa ein Drittel der 23-köpfigen Fraktion aus. Aber außer einem Diskussionspapier der zur Linken zählenden Abgeordneten Lisa Paus kam von dem nicht homogenen linken Flügel bisher wenig Inhaltliches. Man solle mit „Frontalkritik“ an Rot-Rot sparen, um den potenziellen Bündnispartner SPD nicht zu verprellen, heißt es. Positionen aber, wie man etwa mit der Linksfraktion umgeht, fehlen. Zurzeit sitzen mit Anja Schillhaneck und Dirk Behrendt zwei Linke im Vorstand. Und Paus, die dem Vorstand schon früher angehörte, tritt wieder an: gegen die gemäßigte Realpolitikerin und Fraktionsvizechefin Ramona Pop.

Doch auch die Realos haben wenig Programmatisches geliefert. Mit Ausnahme der langjährigen Fachpolitiker hat sich die Fraktion in diesem Jahr nicht mit großem Elan hervorgetan. Die Grünen sind auf langsamem Rückzugskurs von SchwarzGrün und Jamaika und setzen auf eine stärkere Differenzierung in der Opposition: Sie wollen sich künftig mehr auf grüne Kernthemen wie Ökologie, Klimaschutz, Bildung oder Verkehrspolitik konzentrieren. Da passt es, dass Klimaschutzexperte Michael Schäfer am Dienstag gegen Dirk Behrendt antritt. Schäfer war Büroleiter von Parteichef Bütikofer und zählt zum Realo-Lager.

Hinter den Miniflügelkämpfen verbirgt sich noch ein anderer Aspekt: Wer von den Frauen gewählt wird, positioniert sich gut im Rennen um die weibliche Spitzenkandidatur für die nächsten Wahlen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die 66-jährige Eichstädt-Bohlig keine weitere Legislaturperiode im Abgeordnetenhaus bleiben wird. Und wer jetzt im Fraktionsvorstand ist, kann später leichter Führungsansprüche anmelden. Theoretisch, denn die Grünen können auch ganz anders und sich für eine Kandidatin von außen entscheiden. Sabine Beikler

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