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Berlin: Die guten Seiten des Berliner Filzes

Die gemeinnützige Gesellschaft Gambe will eine Kunstwerkstatt zur Eingliederung für psychisch kranke Menschen aufbauen – und bittet um Spenden dafür.

Es gibt diesen Moment, wenn die Schafwolle mit der duftenden Olivenseife und dem Wasser so richtig matschig und schlabberig wird. Dann denken viele Klientinnen: Daraus wird doch nie was! Und dann wird es doch. „Beim Filzen überschreitet man diese innere Grenze, diese Schwelle, dass ich es doch schaffe, auch, wenn ich es mir erst nicht zutraue“, sagt Barbara Krüger. Die 52-Jährige ist freischaffende Filzerin, sie ist geschult in Selbstwahrnehmung, sie hat Theatererfahrung und kooperierte mit einem Heilpraktiker, der Aromatherapeuten ausbildete. Jetzt hält sie in dem hellen Atelier mit dem großen Schaufenster an der Feurigstraße 54 einen kleinen Schatz in den Händen: Die Wollstränge, mit denen die Klienten der gemeinnützigen Gambe GmbH künftig in der neuen Filzwerkstatt zur Reintegration psychisch kranker Menschen arbeiten können.

Alle hoffen jetzt auf die Großzügigkeit der Tagesspiegel-Leser, denn für die Ausstattung eines solchen psychotherapeutischen Beschäftigungsprojektes ist die Eingliederungshilfe des Sozialamtes in Tempelhof-Schöneberg nicht zuständig. Sie finanziert bereits die Arbeit der etwa 90 Mitarbeiter der Gesellschaft für ambulante Begleitung und Betreuung Gambe. Auf 7108,92 Euro summieren sich die Wünsche des Filzatelier-Projektes, denn es werden große Waschbecken und professionelle Näh- und Strickmaschinen, große Töpfe zum Färben, höhenverstellbare Stehstützen und weiche Merino- sowie strapazierfähige Bergschafwolle, Zeichenpapier oder auch Malerfolie benötigt. Einfaches Zubehör, mit dem so viele komplizierte, heilende seelische Zusammenhänge befördert werden können.

„Als mir Barbara Krüger von dem erzählt hat, was Filzen kann, war ich sofort überzeugt“, sagt Gambe-Geschäftsführer Rüdiger Mangel. Wenn man die Wollhaarbündel sanft herauszieht und in Dachziegel-Manier auf dem Tisch quer übereinanderlegt, schult das die Sinne. Beim Ausstreichen der Platten „entsteht eine Weite im Kopf“, das haben Filzexpertin Krüger auch schon Firmenabteilungsleiter in Workshops geschildert. Den Nächsten überhaupt wahrzunehmen, Kommunikation mit anderen zu wagen, sich aus der Wohnung zu trauen, auch das können die Klienten erproben. Manche werfen sich die Filzrollen schon gegenseitig fürs Walken zu.

Solche kleinen Dinge sind für die Klienten der Gambe-Sozialpädagogen, Betreuer und Therapeuten große Schritte. Sie kümmern sich um Kinder psychisch kranker Eltern in Tempelhof-Schöneberg, um Menschen mit geistigen Behinderungen und seelischen Problemen und um rund 140 Menschen im Bezirk mit psychischen Beeinträchtigungen: Depressionen, Burn-outs, Schizophrenie, Essstörungen, Borderline-Syndrom. „Früher hatten wir mehr Klienten mit chronischen psychischen Krankheiten“, sagt Geschäftsführer Mangel. Jetzt gerieten zunehmend junge Menschen in seelische Tiefs, weil sie mit dem gesellschaftlichen Druck der Schnelllebigkeit und des Funktionierenmüssens nicht klarkämen. „Manche verlieren den Boden unter den Füßen, nachdem sie wegen des Berufs umziehen mussten“, sagt Sozialpädagogin Dana Goldammer, die sich um die Bewerbung für die Tagesspiegel-Spendenaktion „Menschen helfen!“ gekümmert hat.

Jetzt werden sie und weitere Kolleginnen und Kollegen von Barbara Krüger als Multiplikatoren in Filztechnik ausgebildet. Die 52-Jährige kommt dafür derzeit immer freitags von ihrem Hof mit Milchschafen aus Lüchow-Dannenberg im Wendland nach Berlin. Künftig sollen die Filzmagneten, Hausschuhe und Taschen auch bei Gambe an der Feurigstraße 54, auf Märkten und der „kulturellen Landpartie“ im Wendland zugunsten der Arbeit mit psychisch Kranken verkauft werden. Doch um all diese Ideen umsetzen zu können, hofft das Filzteam erst einmal auf Spenden. Annette Kögel



Kunden können im Filzatelier jeden Freitags von 11 bis 14 Uhr vorbeischauen. Kontak untert: goldammer@gambe-berlin.de, Telefon 030-787 151 414. Unser Konto: Spendenaktion Der Tagesspiegel e. V., Verwendungszweck: „Menschen helfen!“, Berliner Sparkasse (BLZ 100 500 00), Konto 250 030 942. Bitte Namen und Anschrift für Spendenbeleg notieren, Onlinebanking möglich.

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