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Berlin: Die Hochsicherheits-Suite

Im Interconti ist man durch Staatsbesuche viel gewohnt. Doch es geht noch mehr: Bei der Afghanistan-Konferenz dürfen auch die Hotelmanager nicht mehr überall hin

Die Schneiderin des Interconti steht auf der Liste der ganz wichtigen Menschen. Frau M. ist so wichtig wie der Hoteldirektor und der Sicherheitsmanager. Es könnte ja sein, dass plötzlich ein Knopf vom Jackett eines Präsidenten oder Außenministers abfällt. Dann muss Frau M. mit Nadel und Faden anrücken, und damit die vielen Agenten des amerikanischen Geheimdienstes und die Beamten des Bundeskriminalamtes sie durchlassen, dazu steht Frau M. auf der Liste der ganz wichtigen Personen. Seitdem dem israelischen Staatspräsidenten Moshe Katsav bei seinem Besuch im Dezember 2002 die Hose zu lang war und dringend eine Schneiderin gebraucht wurde, gehört Frau M. mit dazu.

Seit acht Wochen beschäftigt sich das Interconti mit der Afghanistan-Konferenz, die am Mittwoch und Donnerstag das 534-Zimmer-Luxushotel an der Budapester Straße in eine Festung verwandelt. Das Auswärtige Amt hat für die 74 anreisenden Delegationen mit 600 Delegierten das Haus komplett gebucht, „normale“ Gäste haben keinen Zutritt mehr, Buchungen wurden in den Schweizerhof auf der anderen Straßenseite umgeleitet. Wie der stellvertretende Hotel-Direktor Karl-Heinz Pawlizki gestern sagte, komme selbst er Mittwoch und Donnerstag nicht mehr in alle Bereiche seines Hauses. Dort haben 400 Mann vom Bundeskriminalamt, Geheimdienste und das Auswärtige Amt das Sagen.

Schon gestern inspizierten schwarz gekleidete Spezialisten des BKA das Haus. Mit Kameras und Teleskopspiegeln wurden Schächte und Rohrkästen ausgeleuchtet – und für sicher befunden. Eigentlich ist das Fünf-Sterne-Hotel durch die vielen Staatsbesuche (Putin, Powell, Mubarak) in der Vergangenheit einiges gewohnt, sagt Pawlizki, „aber das ist schon eine Steigerung“. Der 35-Jährige beschäftigt sich nicht nur mit der Frage, welche Sicherheitschecks eine Schneiderin absolvieren muss. BKA und Geheimdiensten haben das gesamte 400-köpfige Personal auf die Zuverlässigkeit geprüft.

Das Interconti ist stolz auf das Prädikat „sicherstes Hotel Berlins“. Das Haus, speziell die Präsidentensuite (Zimmernummer: 600), genügt schärfsten Sicherheitsanforderungen. Das steht so nicht nur im Hotelprospekt, das hat Brief und Siegel des amerikanischen Secret Service. Denn für US-Präsident Bill Clinton hat das Interconti gemeinsam mit den US-Sicherheitsbehörden im Jahr 1998 Zimmer 600 in eine Art Hochsicherheitstrakt umgebaut: mit Panzerglas, Stahlbeton, separater Klimaanlage, Videoüberwachung, abhörsicherer Telefonanlage und und und. Die Zimmerflucht im sechsten Stock, mit Blick über das Katharina-Heinroth-Ufer und Tiergarten, soll Beschuss mit Panzerfäusten standhalten.

Wichtiger Aspekt in der Sicherheitsphilosophie: Direkt gegenüber steht kein Wohn- oder Geschäftshaus, der Gast in der Präsidentensuite kann also nicht beobachtet (oder beschossen) werden. Das gleiche gilt für die Hotelvorfahrt: Die Limousinen können mit hohem Tempo direkt aus der Stülerstraße in die Tiefgarage fahren. Dort halten sie vor einem Fahrstuhl, der Präsidenten und Minister ohne Stopp in den sechsten Stock bringt.

Von Mittwoch auf Donnerstag nächtigt US-Außenminister Colin Powell in der Präsidentensuite, er ist der meistgefährdete Politiker der Tagung, die unter Sicherheitsstufe 1 steht. Danach folgt der afghanische Präsident Hamid Karsai, der bereits gestern Abend in Berlin ankam wurde (und sich heute mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit trifft). Alle Delegationen wohnen und arbeiten im Interconti, die USA allein belegen etwa 100 Zimmer.

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