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Berlin: Die Hütchenspieler sind zurück – mit jungen Frauen als Lockvogel Allein auf dem Alexanderplatz sind fünf Gruppen aktiv

Strafrechtliche Mittel gegen die Betrüger gibt es kaum

Die Hütchenspieler sind wieder da, und sie haben ihre Methoden verfeinert. Über den Winter zögen sie sich in „regelrechte Hütchenspieler-Ausbildungszentren“ zurück, berichtet ein Staatsanwalt. Zum Sommer kommen sie dann wieder und suchen sich schöne große Plätze zum Betrügen.

Dass es mehr sind als früher, kann Hauptkommissar Uwe Fischer, Einsatzleiter beim Abschnitt 32, aber nicht bestätigen. „In den vergangenen Jahren ist die Zahl etwa gleich geblieben“, sagt Fischer. „Hier auf dem Alexanderplatz haben wir zurzeit fünf Spielergruppen.“ Jede besteht aus zehn bis zwölf Personen mit festen Aufgaben wie Spieler, Anreißer, Aufpasser und Geld-Aufbewahrer. Zweiter Schwerpunkt der Abzocker ist der Lustgarten und im Westen der Stadt die Gegend zwischen Joachimstaler Straße und Uhlandstraße mit Schwerpunkt auf dem Breitscheidplatz. Dabei gibt es einen Ping-Pong-Effekt: Verdrängt die Polizei die Spieler durch scharfe Kontrollen von einen Ort, so tauchen sie am anderen wieder auf. Orte wie den Hackeschen Markt steuern die Betrüger trotz der vielen Touristen nicht an: „Zu enge Fluchtwege“, sagt Fischer.

Die Hoch-Phase des Hütchenspiels war Anfang der neunziger Jahre. Nur mit massivem Personaleinsatz hat die Polizei die Betrüger damals in den Griff bekommen. „Die meisten waren illegal hier, so dass wir sie relativ leicht loswerden konnten“, erzählt Fischer. Mittlerweile seien sie aber besser abgesichert. Manche hätten eine Duldung, viele seien sogar hier verheiratet und dürften deshalb bleiben.

Die meisten Berliner haben zwar längst kapiert, dass sie beim Hütchenspiel nur verlieren können, aber Touristen lassen sich immer noch darauf ein. Das Spiel geht so: Auf einem kleinen Tisch oder einem Tuch am Boden liegen drei Streichholzschachteln mit der Öffnung nach unten. Unter eine von ihnen wird eine kleine Kugel gelegt. Nun schiebt der Spieler die Schachteln schnell und mehrfach durcheinander. Wer aufmerksam genug ist, kann hinterher sagen, wohin die Schachtel mit der Kugel gewandert ist – glaubt er. So sieht er es ja bei den Lockvögeln. Diese Anreißer führen das Spiel verlangsamt vor. Sie gehören zur Bande und sind neuerdings öfter junge Mädchen, denen Gemeinheiten weniger zugetraut werden. Sie setzen zum Schein 50 Euro, dann werden die Schachteln verschoben, der „Spieler“ rät die richtige Schachtel – und gewinnt zum Einsatz 50 Euro dazu. Der unbedarfte Passant denkt: „Das kann ich auch.“

Doch in seinem Fall wird das fingerfertige Spiel zum Betrug: Beim Kreisen mit den Schachteln lässt der Hütchenspieler das Kügelchen unbemerkt unter seiner Hand verschwinden und schiebt es am Ende unter eine andere als die ursprüngliche Schachtel. Wer auf diese tippt, verliert. Das eingesetzte Geld wiederzubekommen sei praktisch aussichtslos, sagt Hauptkommissar Fischer.

Rechtlich gilt das Hütchenspiel nicht als verbotenes Glücksspiel, sondern als erlaubtes Geschicklichkeitsspiel. Dass die vermeintliche Geschicklichkeit tatsächlich auf absichtlicher Täuschung beruht, ist den Betrügern dabei kaum nachzuweisen. Daher werden Hütchenspieler nach Auskunft der Staatsanwaltschaft nur höchst selten verurteilt.

Der Polizei bleibt als Handhabe fast nur das Straßen- und Wegegesetz: Für die Benutzung öffentlicher Verkehrsflächen über den normalen Gebrauch hinaus braucht man eine Sondernutzungserlaubnis, und die hat kaum einer der Spieler. „Das kostet rund 250 Euro Bußgeld für die Ordnungswidrigkeit, und das Spielgeld ziehen wir auch ein“, sagt Fischer. Am vergangenen Sonntag beschlagnahmte die Polizei 300 Euro und schrieb zwei Anzeigen. So macht man den Hütchenspielern wenigstens das Geschäft kaputt – wenn man sie schon strafrechtlich nicht richtig belangen kann.

Fatina Keilani

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