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Berlin: Die Justiz schließt die Reihen gegen die Polizei

Richterbund und Senatsverwaltung streiten ab, dass Gerichte bei Schwerkriminellen zu nachsichtig urteilen

Haftverschonung für Schwerkriminelle: Das ist aus der Sicht eines Ermittlers beim Landeskriminalamt ein neuer Trend bei Berliner Richtern. Zehn Fälle hat er beispielhaft zusammengestellt und der Innenverwaltung, wie Ende vergangener Woche berichtet, bekannt gemacht. Die solle die Justiz informieren und die Fälle „mit dem Ziel einer kritischen Überprüfung der dargestellten Vollzugspraxis“ erörtern. Bewirkt hat der Polizistenbrief wohl eher das Gegenteil. Von Justizsenatorin Karin Schubert über die Strafverteidiger bis zum Richterbund äußern alle Erstaunen und Unverständnis für die Kritik des Polizisten.

Dabei haben die zehn Beispiele auf den ersten Blick durchaus Reizwirkung – sie scheinen zu bestätigen, was man zu ahnen glaubt. Ein Kokainhändler, zu fünfeinhalb Jahren verurteilt, kommt nach nicht mal zwei Jahren in der Untersuchungshaft frei. Zwei Wochen später ist er wieder in Haft, nachdem das Kammergericht die Haftverschonung aufgehoben hatte. Ein gewaltbereiter Dealer, zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt, erhält Haftverschonung. Die Polizei hörte per Zufall davon. Das hätte „besonders problematisch“ werden können, weil ein Belastungszeuge und Mittäter Opfer einer Racheaktion hätte werden können. Zwei Angehörige eines arabischen Clans werden wegen schwerer Körperverletzung verurteilt und bekommen „trotz der Brutalität“ der Tat und trotz einschlägiger Vorverurteilungen eine Bewährungsstrafe.

So oder ähnlich sind die zehn Beispielfälle verlaufen. Doch Richterbund und Justizverwaltung bestreiten, dass es den von dem Kriminalpolizisten behaupteten Trend zur richterlichen Weichherzigkeit gibt. Der Vorsitzende des Berliner Richterbundes, Peter Faust, spricht von „Stimmungsmache gegen die Fakten“. Faust erinnert daran, dass das Gericht bei jedem Verurteilten prüft, ob Haftverschonung überhaupt zulässig ist und wenn ja, ob sie sinnvoll ist. Wenn zum Beispiel Fluchtgefahr bestehe, gebe es keine Haftverschonung. Dass die Praxis so falsch nicht sein könne, zeige auch die Statistik: Weniger als zwei Prozent der Straftäter, die unter Bewährung stehen, begingen eine neue Straftat, sagt Faust. Außerdem habe die Staatsanwaltschaft immer die Möglichkeit, zum Beispiel gegen die Haftverschonung vorzugehen. Das ist offenbar in keinem der Beispielfälle geschehen. Daraus kann man schließen, dass die Staatsanwälte mit dem einverstanden waren, was die Richter angeordnet hatten. Alles in allem, meint der Vorsitzende des Berliner Richterbundes, habe sich der Mann vom LKA mit dem Brief keinen Gefallen getan. Bei Richtern und Staatsanwälten sei Verärgerung zu spüren.

In der Justizverwaltung wundert man sich über das Kommunikationsproblem, das der LKA-Mann geschaffen habe: Justizsprecherin Andrea Boehnke erinnert an die Vereinbarung zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft, dass Probleme auf direktem Weg geklärt werden sollten – ohne den Umweg über Senatsinnen- und Senatsjustizverwaltung. Das sei in einer Verordnung seit zwei Jahren so vorgesehen. Deren Zweck bestehe auch darin, Briefe wie den des LKA–Mannes überflüssig zu machen. Genau das ist laut Innenverwaltungssprecher Peter Fleischmann dem Polizisten mitgeteilt worden: dass er sich mit seinen Hinweisen direkt an die Staatsanwaltschaft wenden möge.

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