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Berlin: Die Koalition der Kieze

Bezirksübergreifend verteidigen Politiker das Quartiersmanagement gegen Kritik

Kritik gab es immer wieder, doch das 1999 in 15 Ortsteilen gestartete Quartiersmanagement hat sich nach Ansicht der beteiligten Bezirksverwaltungen bewährt. Das inzwischen auf 17 Quartiere in sieben Bezirken ausgeweitete Programm soll der Stabilisierung und Weiterentwicklung von „Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf“ dienen. Bis zum vergangenen Jahr sind 75 Millionen Euro aus EU-, Bundes- und Landesmitteln in das Projekt geflossen.

Monica Schümer-Strucksberg von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung räumt ein, dass in den ersten beiden Jahren die Akten „nicht sorgfältig genug“ geführt wurden. Der Landesrechnungshofes hatte im Mai unter anderem unzureichende Antragsprüfung und Erfolgskontrolle gerügt. Inzwischen werden die Projekte regelmäßig geprüft, betont die Referatsleiterin. „Es ist kein Geld hingeflossen, wo es nicht hinfließen sollte.“

Ein Teil der Mittel geht an so genannte Quartierfonds, wo Jurys aus Anwohnern und Interessengruppen direkt über die Vergabe entscheiden. Dass beispielsweise knapp 18000 Euro für ein Rapper-Festival am Kottbusser Tor bewilligt wurden, hat CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer als „hanebüchen“ bezeichnet. Für Monica Schümer-Strucksberg war auch diese Ausgabe sinnvoll. „Wir konnten Jugendliche erreichen, die sich sonst den Teufel darum scheren würden, welche Partizipationsangebote das Land Berlin macht.“ Einigen habe man zu Ausbildungs- oder Arbeitsplätzen verhelfen können.

Für Mittes Stadtentwicklungs-Dezernentin Dorothee Dubrau (Grüne) ist das Quartiersmanagement „unsere einzige Chance, um wenigstens ein Stück an die Probleme in den Kiezen heran zu kommen“. In Neukölln sind „kleine Keimzellen von Bürgerengagement“ entstanden, die es vorher nicht gab, berichtet Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD). Hier würden sich jetzt Gruppen von jeweils 50 bis 100 Personen aktiv um die Belange ihres Wohnbereiches kümmern. Das Programm hat „zum Zusammenhalt“ beigetragen, bestätigt der Treptow-Köpenicker Stadtrat für Bauen und Stadtentwicklung, Klaus Ulbricht (SPD).

In Tempelhof-Schöneberg, wo man als einziger Bezirk über ein Ressort „Gesundheit, Stadtentwicklung und Quartiersmanagement“ verfügt, wurde bereits 1998 ein Präventionsrat gegründet, der schnell auf rund 150 Teilnehmer wuchs. Eine „tolle Mischung“ von Anwohnern und Fachleuten, wie Stadträtin Elisabeth Ziemer (B’90/Grüne) meint. Das Quartiersmanagement habe zusätzlich Geld und Personal für den Bülowstraßen-Kiez gebracht. Die Bereitschaft der Bevölkerung, nicht alles der Politik zu überlassen, sondern selbst etwas zu tun, sei deutlich gestiegen.

Allerdings sei der Senat nicht in der Lage, aus der Ferne die Arbeit vor Ort ausreichend zu steuern, kritisiert Franz Schulz (Grüne), Baustadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg. Auch für Ulbricht steht der Aufwand bisher in keinem Verhältnis zum Nutzen. Die Effektivität der eingesetzten Mittel könnte durch Zuteilung der Gelder an die Bezirke verbessert werden. Weil dann aber auch hier gekürzt würde, sei es bei der heutigen Haushaltslage „taktisch klüger“, die Mittel beim Senat zu belassen, meint dagegen Elisabeth Ziemer. „So kommt das Geld zu 100 Prozent an.“ Weil es sich um einen Teil des mit Europa-Mitteln geförderten Bund-Länder-Programms „Soziale Stadt“ handelt, muss die Steuerung beim Senat verbleiben, sagt Monica Schümer- Strucksberg. In Mitte allerdings soll jetzt der Bezirk im Rahmen eines Pilotprojektes Koordinierung und Abrechnung in eigener Regie übernehmen, sagt Dorothee Dubrau.

Inzwischen wurden allerdings auch hier die Mittel gekürzt. Weil in Mitte alle fünf betreuten Quartiere in den ehemaligen West- Bezirken Tiergarten und Wedding liegen, wurden die Mittel in diesem Jahr halbiert, klagt die Stadträtin. Viele geplante Projekte können deshalb nicht mehr realisiert werden.

Rainer W. During

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