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DIE LANDESREGIERUNG: Der Chef gibt den Takt vor

KLAUS WOWEREIT (SPD)Eines können weder Freund noch Feind dem Regierenden Bürgermeister abstreiten: Klaus Wowereit ist weit über Berlin hinaus bekannt wie ein bunter Hund – und ziemlich beliebt. Trotzdem wäre er, bei der Zitterwahl im Abgeordnetenhaus vor einem Jahr – fast vom Sockel gestürzt.

KLAUS WOWEREIT (SPD)

Eines können weder Freund noch Feind dem Regierenden Bürgermeister abstreiten: Klaus Wowereit ist weit über Berlin hinaus bekannt wie ein bunter Hund – und ziemlich beliebt. Trotzdem wäre er, bei der Zitterwahl im Abgeordnetenhaus vor einem Jahr – fast vom Sockel gestürzt. In den folgenden Wochen hatte Wowereit die Zügel keineswegs fest in der Hand, zeigte Unsicherheiten und schwankende Gefühle. Das hat sich wieder gelegt. Vielleicht zahlt es sich doch aus, dass der Regierungschef in strategisch-politischen Fragen einer professionellen Beratung zugänglicher geworden ist. Sein alter Trick funktioniert jedoch nicht mehr so gut: Sich zwei, drei Sachen vornehmen und beharrlich abarbeiten. Bei Rot-Rot II wuseln die Themen irgendwie durcheinander. Aber er löst nun ein Versprechen ein, dass er im Wahlkampf 2007 abgab: Sich stärker in die Bundespolitik einzumischen. Das bringt manchmal Verdruss, aber auch einen Kick. Und den braucht Wowereit zum Regieren. za

HARALD WOLF (LINKE)

Die Wirtschaft ist zufrieden mit ihrem Senator. Solide, pragmatisch, zuverlässig – das sind die am häufigsten genannten Attribute, wenn man Arbeitgeber oder Gewerkschafter nach den Eigenschaften Harald Wolfs fragt. Nach längerem Nachdenken werden aber auch Zweifel laut, ob sein Gewicht im Senat so ist, wie es sein sollte. Wolf zieht unverdrossen durch die Stadt, besucht Firmen und betont die Bedeutung der Industrie. Das kommt an. Wolf wird geschätzt, weil er die Notwendigkeit einer industriellen Basis für die Wirtschaft insgesamt betont. Dazu gab es kürzlich eine industriepolitische Konferenz, auf der auch Klaus Wowereit auftrat. Überhaupt Wowereit: Bei manchen Themen gibt der Regierende Bürgermeister die Richtung vor, ohne sonderlich Rücksicht zu nehmen auf Wolf. alf

EHRHART KÖRTING (SPD)

Sein Amt ist immer ein wenig gefährdet: Ein Anschlag, ein Reihe von Mobattacken auf die Polizei, der Innensenator sagt vielleicht ein paar unpassende Worte – oder es breitet sich bei den Leuten der Eindruck aus, die Stadt komme immer weiter herunter, die Politik aber tue nichts: Dann kann der Mann für die öffentliche Ordnung schnell wie ein Schwächling wirken. Körting, der Wortwäger, muss derartigen Autoritätsverlust nicht befürchten. Auf eine fast diplomatische Weise formuliert er seine Standpunkte stets so, dass er liberal, tolerant, und entschieden wirkt. So überstand er die Verwahrlosungsdebatte vom vergangenen Winter, alle Debatten über Jugendgewalt oder den Fauxpas seiner Verfassungsschützer, die von dem Scientology-Bauprojekt in Charlottenburg aus den Medien erfuhren. Nur seine Neigung zur schwarzhumorigen Formulierung könnte ihm – siehe die von Körting mit provozierte Idomeneo-Affäre vom September 2006 – gefährlich werden. wvb.

THILO SARRAZIN (SPD)

Der Finanzsenator Thilo Sarrazin ist ein kaum knickbarer Stützpfeiler des rot-roten Senats. Und in seiner gelegentlichen Unberechenbarkeit, mit der er die öffentliche Meinung und die eigenen Leute gegen sich aufbringt, schon wieder berechenbar. Sarrazins Kompetenz liegt eindeutig nicht auf dem Gebiet der Sozial- oder Bildungspolitik. Er wird auch in dieser Wahlperiode seinem Ruf als beinharter und fantasievoller Sanierer des Haushalts gerecht. Dabei kennt der Senator keine Verwandten: Nicht beim Bund, auch nicht bei den Fachpolitikern der Linksregierung, die wieder etwas wohltätiger werden wollen. Erst recht nicht bei den Bezirken. Mit dem Wirtschaftsboom kam der Goldregen auch über Berlin. Die Stadt kommt ab 2007 ohne Schulden aus. Sarrazin gibt es ungern zu – aber damit hatte er selbst im Traum nicht gerechnet. za

GISELA VON DER AUE (SPD)

Man wüsste gern, wie sie wirklich über ihr Amtsvorgängerin Karin Schubert und den Zustand des umfangreichen Berliner Justizapparates denkt. Doch Gisela von der Aue, die vom Brandenburger Rechnungshof in die Justizverwaltung am John-F.- Kennedy-Platz umgezogene Aufräumerin, hatte in den ersten Monaten kaum Zeit, sich länger mit der Frage zu befassen, ob das Amt den Ärger wert ist. Erst die Medikamentenaffäre, die im Wahlkampf verschwiegen worden war; dann die Drogenschmuggelei in die Jugendstrafanstalt; bald darauf die erste Flucht eines Häftlings; zwischendurch die Friktionen mit Staatsanwälten, die durchaus erwachsene Vorstellungen vom Strafvollzug öffentlich vertreten und Jugendrichtern, die glauben, dass die Senatorin zum Verharmlosen gesellschaftlicher Fehlentwicklungen neige: Ärger über Ärger. Gisela von der Aue braucht robuste Nerven. Meistens hat sie sie. Noch. wvb.

JÜRGEN ZÖLLNER (SPD)

Viele Vorschusslorbeeren gab es vor einem Jahr für den neuen „Supersenator“, der für Wissenschaft, Schule und Jugend verantwortlich ist. Tatsächlich gelang es Jürgen Zöllner, nach anderthalb Jahrzehnten des Sparens mit dem Masterplan erstmals mehr Geld für die Hochschulen zu bekommen. Berlin gibt 185 Millionen Euro zusätzlich bis 2011 für die Uni-Forschung aus sowie zehn Millionen Euro für 1000 neue Studienanfängerplätze. Allerdings will Zöllner die Millionen über seine umstrittene Superuni verteilen, ein neues Institut für Spitzenforschung. Berlins gutes Abschneiden im Elitewettbewerb der Unis ist nach Zöllners Meinung auch sein Verdienst, weil er sich gegen die Ansprüche der Unionsländer durchgesetzt habe. Im Schulbereich läuft es noch recht zäh für Zöllner. Wichtige Reformen wie die rechtzeitige Lehrerzuweisung können erst kommendes Jahr greifen. Die Stimmung an den Schulen ist nicht besser als zur Zeit seines umstrittenen Vorgängers, weil die Arbeitsbelastung unverändert hoch ist. Erziehermangel und hoher Krankenstand belasten die Schulen zusätzlich. akü/sve

INGEBORG JUNGE-REYER (SPD)

Die Stadtentwicklung – früher traditionell ein Ressort für „Hoppla-jetzt-komm’-ich“-Senatoren, ist unter ihrer Regie ein ruhiges Feld geworden. Ingeborg Junge-Reyer vermeidet es, sich öffentlich festzulegen und ist froh, wenn sich um konfliktträchtige Themen, die zwar originär ihr Ressort wären, andere kümmern: Beispiel Schloss-Aufbau – hat Wowereit eingetütet. Oder ICC-Zukunft – damit schlägt sich vor allem Harald Wolf herum. Und selbst bei so wichtigen Terminen, wie dem Rückbau der Straßen in Mitte, scheut sie das Licht der Öffentlichkeit, es könnte nämlich Streit mit dem Koalitionspartner bedeuten. Mit dieser Haltung macht sie zwar keine Fehler, muss sich aber auf Gegenwind einstellen, je länger ihr kein überzeugendes Konzept für den Flughafen Tempelhof einfällt. Mit Regula Lüscher hat sie sich eine Senatsbaudirektorin ausgesucht, die ebenso wie sie lieber im Hintergrund agiert. oew

HEIDI KNAKE-WERNER (LINKE)

In Berlin leben rund 320 000 Haushalte von Hartz IV, die Kinderarmut steigt seit Jahren kontinuierlich. Die Stadt bietet jede Menge sozialen Sprengstoff, dennoch hört man derzeit wenig aus diesem Politikfeld. Um Heidi Knake-Werner (Die Linke) als der zuständigen Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales ist es relativ ruhig. Dass Knake-Werner auch das Arbeitsressort zugeschlagen wurde, war sinnvoll, da nach der Einführung der Arbeitsmarktreform Anfang 2005 Arbeit und Soziales zwangsläufig zusammen gehören. In diesem Bereich stößt sie aber bei der Opposition auf die größte Kritik. Der öffentliche Beschäftigungssektor, mit dem für Langzeitarbeitslose bis 2010 rund 10 000 geförderte, sozialversicherungspflichtige Jobs entstehen sollen, kommt auch bei den Wirtschaftsverbänden überhaupt nicht gut an. Allerdings verläuft auch der Start dieses Prestigeobjekts der Senatorin bisher sehr zögerlich; erst 800 Menschen haben in Projekten einen Job gefunden. sik

KATRIN LOMPSCHER (LINKE)

Preisfrage: Wofür ist Katrin Lompscher zuständig? Richtig, für Umwelt, das gibt hundert Punkte. Ja, auch für Verbraucherschutz, dafür gibt es 200. Wenn jetzt noch jemand „Gesundheit“ gesagt hätte, wären 500 Punkte fällig gewesen. Hat aber niemand gesagt. Weil Lompscher als Gesundheitssenatorin kaum aufgefallen ist. Dabei verfolgt sie ihr bekanntestes Projekt gerade aus Gründen des Gesundheitsschutzes: die Einführung der Umweltzone mit Fahrverboten für Stinker. Das Thema könnte der Aufreger der nächsten Monate werden – noch vor dem Rauchverbot in Kneipen. Die 45-jährige Gelegenheitsraucherin, die 2006 aus dem Bezirksamt Lichtenberg zum Senat wechselte, wird den Zoff überstehen: Zäh bis zur Dickfelligkeit tut Lompscher, was ihr – nach Prüfung der Fakten – richtig erscheint. Das schätzen Politiker und Mitarbeiter. Als sie eine Ausnahme machte und auf eigene Faust die Klimaanlagen in den Dienstwagen des Landes verbieten wollte, war das der Rohrkrepierer des Jahres. Aber einen hat jeder frei – auch als Neuling im Senat. obs

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