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Berlin: Die laute Reserve

Warum nicht nur die Deutschen mit der Klinsmann-Elf jubeln

Die Klinsmänner können wirklich jede Unterstützung brauchen, wenn sie Weltmeister im eigenen Land werden wollen. Das sagt der Bundestrainer ja derzeit bei jeder Gelegenheit selbst. Ob er da schon von der bislang stillen Fan-Reserve wusste, die in Berlin unbemerkt schlummerte?

Freitagabend, WM-Beginn. Deutschland gewinnt das Auftaktspiel – nun gut. Nach dem Spiel patrouillieren auf dem Ku’damm sportliche Autos, seitlich am Dach flattern Deutschland-Fähnchen – auch das kommt vor. Hupkonzert, Beifahrer schwenken die schwarz-rot-goldene Flagge durchs Seitenfenster oder die Dachluke. Deutsche Fans eben. Oder?

Stimmt und stimmt nicht. Denn in den Autos sitzen auch viele türkische oder arabische Männer und Jugendliche, die den Sieg der deutschen Mannschaft frenetisch feiern. Auch vor einigen Moscheen soll nach dem Gebet der Sieg über Costa Rica bejubelt worden sein. Die Reaktion in Berlin lebender Landsleute? Freude über die Freude und, auch das, Erstaunen, Verwunderung. Und die Erklärungen, die man zu hören bekommt, fallen recht unterschiedlich aus, je nachdem, wo man nachfragt.

Malik Fathi etwa glaubt, „dass das halt eine moderne Generation ist“. Fathi steht in der Fußball-Bundesliga bei Hertha BSC unter Vertrag, gerade hat er für die deutsche Nachwuchs-Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft in Portugal gespielt (U21). Seine Mutter ist Deutsche, sein Vater Türke. Der 22-Jährige macht jetzt Urlaub auf Ibiza. „Die jungen Türken, die hier aufwachsen, können sich sehr gut mit der deutschen Nationalmannschaft identifizieren“, sagt Fathi.

Chaban Salih vom Verein Muslimische Jugend (MJ) sagt: „Ganz ehrlich: Ich war selbst ziemlich überrascht, wie sehr einige das Ergebnis bejubelt haben. Auch Männer, die sonst nicht nur positiv über Deutschland sprechen.“ Zwei Erklärungen bietet Salih an. Erstens, jene, die jubelten, fühlten sich in Deutschland heimisch. Zweitens, etwas pragmatischer: Ersatzbefriedigung. Die Türkei etwa hat sich für das Turnier nicht qualifiziert. „Ist doch naheliegend, dann eben für Deutschland zu jubeln.“

Das findet Eren Ünsal auch. Sie ist die Sprecherin des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg. „Es ist doch schön, wenn man sieht, dass Fußball Menschen miteinander verbindet“, sagt sie. Schon einige Zeit vor dem Anpfiff hatte der Türkische Bund die Deutschland-Türken in der Stadt dazu aufgerufen, „gemeinsam mit ihren deutschen Freundinnen und Freunden den Erfolg der deutschen Nationalmannschaft zu feiern“.

Ein Gemüsehändler im Stadtteil Tiergarten, Fußballfan, Anfang 30 und selbst Türke, glaubt, die Partylaune seiner Landsleute habe mit dem Abschneiden der Deutschen gar nichts zu tun. „Es ist WM, die Türkei spielt nicht. Die Jungs wollen Party machen.“ Wenn Brasilien bald gewinne, werde Brasilien gefeiert.

Vielleicht können sich die Türken bei der nächsten Weltmeisterschaft noch aus einem anderen Grund für die deutsche Mannschaft begeistern: Malik Fathi könnte es ins Team schaffen.mne/ ist

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