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Berlin: Die Lehrstellenlücke

Wie in Berlin um Jobs für Azubis gekämpft wird

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Gewerkschaften schlagen Alarm. „In Berlin und Brandenburg werden 55885 Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz suchen, derzeit nur 17155 betriebliche Stellen angeboten“, kritisierte gestern der stellvertretende DGB-Landeschef Bernd Rissmann. Die Situation sei besorgniserregend. Der Ausbildungspakt greife nicht. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) und die Unternehmerverbände (UVB) argumentieren wie immer dagegen: Bis zum Jahresende werde jedem Jugendlichen in der Region ein Ausbildungsplatz zur Verfügung stehen. Auch wenn nicht jeder Azubi seinen Wunschberuf erlernen könne, sagt IHK-Geschäftsführer Jan Eder.

Ein Test: Die Berliner Handwerkskammer bot gestern in ihrer Lehrstellenbörse 27 Ausbildungsplätze an, vorwiegend bei Friseuren, Bäckern und Konditoren, Fleischern, Malern und Kosmetikläden – das klassische Repertoire. Auch private Internet-Vermittler (zum Beispiel jobpilot.de), die mit vielen Unternehmen kooperieren, haben vor allem in kaufmännischen und technischen Berufen einige Ausbildungsstellen in Berlin vorrätig. Die mittlere Reife oder das Abitur wird oft vorausgesetzt. Wer keinen Schulabschluss oder nur die Hauptschule besucht hat, wird es bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz weiterhin schwer haben. Trotz des nationalen Ausbildungspaktes, der im Juni abgeschlossen wurde.

Diese Problemgruppe, schwer Vermittelbare also, macht in Berlin und Brandenburg 15 bis 20 Prozent der Jugendlichen aus, die einen Beruf erlernen wollen. Diese Zahl ist zwischen Gewerkschaften und Unternehmensverbänden unstrittig. Thomas Krätschmer, der zuständige Referatsleiter beim UVB, bestätigt auch die Darstellung von DGB-Vizechef Rissmann, dass 77 Prozent der Betriebe nicht ausbilden. „Aber dazu gehört eben auch die Döner-Bude um die Ecke.“ Von den ausbildungsberechtigten Unternehmen in der Region biete jedes zweite Ausbildungsplätze an. „Wir gehen jetzt mehr auf die Firmen zu, die noch nicht ausbilden“, verspricht Krätschmer. Das gelte zum Beispiel für Dienstleistungsbetriebe oder ausländische Unternehmer.

Das hält auch der DGB für wichtig. „Die Kammern und Verbände müssen mehr Druck auf ihre Mitglieder ausüben“, fordert Rissmann. „Alle Verbände ackern herum und versuchen, neue Stellen einzuwerben“, kontert Krätschmer. Er lobt zum Beispiel die Fünf-Sterne-Hotels in Berlin, die jetzt 25 zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen haben. Im öffentlichen Dienst stehen 2004 etwa 550 Ausbildungsplätze zur Verfügung, so viel wie im letzten Jahr. Und mit 35,6 Millionen Euro fördern der Bund, die Länder und die EU ein Programm, das in Berlin 3000 schwer vermittelbaren Jugendlichen eine Ausbildung ermöglicht. So soll die drohende Ausbildungslücke bis Jahresende doch geschlossen werden. Ohnehin gehen jährlich 4000 junge Berliner in andere Bundesländer, weil sie dort eher fündig werden. IHK-Geschäftsführer Eder verbreitet Hoffnung: „Wir haben jetzt 3,5 Prozent mehr Lehrverträge als im Vorjahr“. Auch die Wirtschaftsverwaltung des Senats sieht momentan eine „etwas günstigere Lage als 2003.“

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