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Berlin: Die letzten Spuren

Heute vor vier Wochen ging die Fußballweltmeisterschaft zu Ende. Im Stadtbild aber ist sie noch immer präsent

Holger Wuttke schaut auf eine Reihe kleiner Pokale, die Stapel von Kugelschreibern mit den aufgepfropften Bällen, die blanken Weißbiergläser mit der Germany-2006-Aufschrift. „Kann ich irgendwann als Antiquität verkaufen.“ Die Fähnchen gehen noch einigermaßen, sogar die oft geschmähten Goleo-Maskottchen will ab und zu jemand haben. Aber ansonsten schlägt die Stunde der Ladenhüter. „Als wäre es nie gewesen“, sagt Wuttke in seinem Kiosk „Souvenirs am Zoo“ traurig.

„Es“ fand vor genau vier Wochen sein spannendes Ende. Das Finale der Fußballweltmeisterschaft im Olympiastadion, mit dem Spiel Frankreich gegen Italien. „Es war beeindruckend, was sich an meinem Kiosk abgespielt hat,“ erinnert sich der Händler. Er hat bemerkt, dass sich die Touristen seither zwar weniger für WM-Artikel, aber viel mehr für Informationen über Berlin interessieren als noch vor der Weltmeisterschaft.

Wo aber hat das Weltereignis im Stadtbild überhaupt noch sichtbare Spuren hinterlassen? Ganz deutlich beispielsweise am Breitscheidplatz, nicht weit von Wuttkes Kiosk entfernt. Ganz groß und unübersehbar steht da über einem Laden „WM-2006-Shop“ , wobei das „O“ als großer Fußball dargestellt ist. Als sei die Zeit vor vier Wochen stehen geblieben. Da hängen die Ständer mit Trikots von Holland, Italien, Argentinien, und Touristen wühlen sich durchs WM-Schlussverkaufsangebot. Hauptsache, es ist ein Andenken aus Berlin. „Wer hat gewonnen?“ fragen manche. Deutschlandtrikots gibt’s nur noch in Kindergröße. „Die WM-Begeisterung hält in gewisser Weise an“, sagt Händler Nestor Nicolaou. Aber die Bestände schrumpfen. Noch eine Woche setzt er auf die WM, dann wird der Laden wieder zum reinen „Taschenparadies“.

Viel sichtbarer im Stadtbild ist der Fußball auf der Fernsehturmkugel. Aber auch hier droht die Demontage. Ab nächsten Mittwoch wird die Telekom die Folien entfernen, eine komplizierte Prozedur, die vier Wochen dauert. Vorm Reichstag, wo die Adidas-Arena stand, sind deren Spuren noch erkennbar. Als öde Asphaltfläche, die wie ein großer, ungenutzter Parkplatz aussieht. Aber die „Landschaftsarbeiten“ stehen bevor. „Wir sind eine Woche vor der Zeit“, heißt es bei Adidas. In einer Woche soll auch die Unterschicht aus Schotter abgetragen sein, dann kommt die alte Grasschicht weg, neuer Rollrasen rauf. In der zweiten Septemberwoche soll alles wieder so aussehen wie vor der WM.

Der Hauptbahnhof hat sich seiner WM fast entledigt. Bis zum Wochenende bot er noch einen schönen großen rot-silbernen Ball, als Infoschalter. Aber auf Telefonsäulen ist der Ball noch vertreten. Auch die beiden großen Fußballschuh-Skulpturen stehen noch immer im Spreebogenpark, das Audi-Denkmal an der Siegessäule hält ebenfalls noch durch. Letzte Erinnerungen an die Kampagne „Land der Ideen“ zur Fußball-WM.

Auch von den tausenden Autofähnchen haben sich einige erhalten, an Häusern hängen letzte Stoffreste, etwa am „Sozialpalast“ in Schöneberg. An der Potsdamer Straße klebt noch immer der Einladungszettel eines Clubs, sich das Spiel Deutschland gegen Ekuador anzusehen. Mitunter sind ganze Wände, wie an der Oberbaumbrücke oder der Potsdamer- Ecke Goebenstraße, mit brasilianischen Fußballern bemalt. Hier wird die WM noch länger Bestand haben.

Auch die BVG bleibt der Weltmeisterschaft noch treu. An den Fenstern etlicher U-Bahnzüge kleben die kleinen Ballfolien,wirken wie niedliche Blümchentapeten, die auch zerkratzten Scheiben Charme verleihen. Die Freundlichkeitsoffensive scheint aber zu verblassen. „In Berlin steigt man vorn ein“, herrscht der Fahrer eines Busses M 41 vorm Hauptbahnhof die Touristen an.

Das große Fußballereignis bringt sich in Berlin auch in Erinnerung, wenn das Auktionshaus Dechow hier am 19. August WM-Inventar versteigert. (www.dechow.de).

Christian van Lessen

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