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Berlin: Die Lücken der Gerechtigkeit

Wie sich Berliner Politiker in Hohenschönhausen mit SED-Opfern stritten

Schon nach wenigen Minuten hält er es nicht mehr aus. Ein Mann mit grauem Anorak stürmt zur Bühne, auf der die Berliner Politiker sitzen. „Früher wurde ich gejagt“, schreit er, „jetzt bekomme ich keinen Pfennig Entschädigung.“ Die Diskutanten, die am Mittwochabend ins ehemalige Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen gekommen sind, um über den Umgang mit DDR-Geschichte zu reden, legen die Mikrofone zur Seite. Vor ihnen kämpft einer, der sonst keine Öffentlichkeit hat, mit zitternder Stimme um Worte. Im Saal ist es still.

Es hat sich viel aufgestaut bei den SED- Opfern. Im Wahlkampf spricht niemand über sie, in Schulen kommt ihr Schicksal nicht vor. Eine Ehrenpension für Geschädigte lehnte der Bundestag ab, stattdessen wurden die Renten für einst staatsnahe Berufsgruppen heraufgesetzt. Ein Skandal?

„Eine Gerechtigkeitslücke“, antwortet Grünen-Fraktionschef Wolfgang Wieland. Allerdings seien die Rentenerhöhungen für DDR-Beamte eine Vorgabe der Justiz gewesen. „Nun müssen wir zur Ehrenpension für Opfer kommen“, sagt Wieland. FDP-Bundestagskandidat Hellmut Königshaus fordert alle Parteien auf, daran mitzuwirken. Berlins SPD-Chef Peter Strieder hob die Besserstellung der Opfer durch Millionenhilfen der rot-grünen Bundesregierung hervor. „Zu wenig“, schallt es zurück. Und: „Verräter!“ Strieder, Architekt der rot-roten Koalition, ignoriert die Schmährufe und sagt: „Wir haben die PDS gezwungen, sich mit ihrer Vergangenheit zu beschäftigen.“

Christoph Stölzl schüttelt den Kopf. „Das alles wird nichts ändern“, wirft Berlins CDU-Chef ein. Hauptproblem sei das Zerrbild, dass in Schul- und Geschichtsbüchern gezeichnet werde. „Die DDR war kein Betriebsunfall des Kalten Krieges“, sagt Stölzl, „sondern ein Unrechtsstaat.“ Dem stimmt am Ende der Debatte, die vom stellvertretenden Chefredakteur des Tagesspiegel, Lorenz Maroldt, moderiert wurde, sogar PDS- Politikerin Marion Seelig zu. Da ist es wieder still im Saal. Robert Ide

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