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Berlin: Die Masche mit der Tasche

Mit Verkaufspartys baut eine Studentin ihr kleines Gewerbe auf

Wenn eine Handtaschenparty ansteht, stellt Wiebke Nieland ihren Wecker auf fünf Uhr morgens. Dann näht sie im Akkord, auf ihrem Bett stapeln sich Stoffquadrate aus asiatischer Seide, grünem Samt oder Baumwolle mit Hawaiiblumen. Die Neu-Berlinerin organisiert seit einem Jahr Verkaufspartys, auf denen sie selbst entworfene Taschen vertreibt. Jedes Modell trägt einen „Schneckenhaus“-Aufnäher. Schneckenhaus, so heißt Wiebke Nielands Label, „weil meine Taschen all die Dinge beherbergen, die man mit sich rumträgt“, erklärt sie. Mit ihrer Geschäftsidee ist Nieland eine von vielen Jungunternehmerinnen, die in Berlin mit wenig Geld und kreativen Ideen ihr Glück versuchen.

Schnittmuster und Garnrollen bestimmen nur ihr halbes Leben. Vor vier Monaten ist die 27-Jährige für einen Platz an der Journalistenschule von Köln nach Berlin gezogen. Die Nähmaschine hat sie mitgenommen. „Als Kind hab’ ich die Steiff-Teddys meiner Mutter eingekleidet.“ Aber die Leidenschaft sollte nie Hauptberuf werden: „Ich wäre nie auf die Idee gekommen, eine Schneiderlehre anzufangen.“

Neben den Vorlesungen entwirft Wiebke Nieland die ersten Handtaschen. Als sie im Bastelladen tellergroße Holzringe entdeckt, ist die Idee der Wendetasche geboren. Sie nimmt ein Reifenpaar, näht zwei verschiedene Stoffe aneinander. Es funktioniert: Stülpt man das Futter von innen nach außen, kommt ein anderes Muster, eine andere Farbe zum Vorschein. Bald sind Freunde und Kollegen ausgestattet, der Wunsch, professionell zu verkaufen, wächst. Die „Schneckenhaus“-Schildchen sind der erste Schritt: „Durch das Label war ich plötzlich Designerin. Ohne eine Marke gilt Handarbeit nur als Hobby.“ Im Sommer 2005 meldet Wiebke Nieland ihr Gewerbe an. „Nähen von Stoffhandtaschen und deren Verkauf“ schreibt der Mann vom Ordnungsamt. Als die frisch gebackene Einzelunternehmerin die „Hauptniederlassung der Betriebsstätte“ eintragen soll, zögert sie kurz. „Da hab’ ich gedacht: Eigentlich ist das doch nur dein Schreibtisch mit einer Nähmaschine.“

Die Wochen danach sind schlaflos: Welche Steuern sind fällig, wo liegen die Freibetragsgrenzen, wie eröffnet man ein Geschäftskonto, und was genau bedeutet „Einnahmenüberschussrechnung“? Wiebke Nieland holt sich Hilfe aus der Verwandtschaft: Ihr Onkel ist Steuerberater, gemeinsam arbeiten sie sich durch den Papierberg. Bilanzen, Rechnungen und Ämterkorrespondenz füllen schon nach einem Jahr vier Aktenordner.

Die Jungunternehmerin hat ihr Angebot erweitert, macht jetzt auch Geldbörsen, Schmink-Etuis, Umhängetaschen für Männer. Die kleinen Produkte verkauft sie für 15, große Wendemodelle für 60 Euro. Leben kann sie vom Taschengeschäft noch nicht: In guten Monaten verdient sie 400 Euro, manchmal auch nur 100. „Wie viel am Ende übrig bleibt, hängt davon ab, ob ich gerade eine Verkaufsparty mache. Dann werde ich auf einen Schlag zehn, zwanzig Teile los.“ So ein Abend zieht nach dem Schneeballprinzip neue Aufträge mit sich. Sie sollen auch weiterhin der wichtigste Vertriebsweg bleiben, „weil sie ideal sind, um einen Kundenkreis aufzubauen“, sagt Nieland. „Die Gäste suchen sich ihren Favoriten entspannt zu Prosecco und Sushi aus.“ Das übrige Geschäft läuft über das Internet und einen Kölner Ladenbesitzer, der einige „Schneckenhaus“-Accessoires ins Schaufenster legt.

Bislang bekommt Wiebke Nieland ihr eigenes Gewerbe und die Journalistenschule unter einen Hut, aufgeben will sie keines von beiden. Dass sich daran auch in Zukunft nichts ändert, da ist sich die Taschenmacherin sicher: Gerade hat sie den Namen „Schneckenhaus“ als Marke schützen lassen.

www.schneckenhaus-taschen.de

Annett Meiritz

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