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Berlin: Die Masse hat’s gemacht

„Ein toller Erfolg“, schwärmt der Chef-Organisator: Stefan Collm hat 250 000 Menschen zur Großdemo in Berlin auf die Straße gebracht

Wie eine riesige Perlenkette sah es aus, schwärmt Stefan Collm. 250 000 Menschen aus unterschiedlichen Richtungen in wenigen Stunden vor dem Brandenburger Tor zusammenzubringen, ohne dass jemand im Gedränge steckenbleibt – „ein toller Erfolg“, freut sich Collm, als am Nachmittag die letzten Demonstranten den Heimweg antreten.

Am Morgen, zehn Stunden zuvor, wirkte der Mann, der Hunderttausende durch die Stadt dirigiert, erstaunlich gelassen. „Im Auge des Orkans ist es immer ruhig“, sagt der Gewerkschaftsfunktionär und grinst seinen müden Mitarbeitern aufmunternd zu. Hinter ihm taucht die Morgensonne das Brandenburger Tor in warmes Orange. 7.30 Uhr. Collm steht vor zwei Containern, in denen seine Mitarbeiterinnen vier Telefone und Computer bedienen. Hier laufen die Fäden der Demonstration zusammen. Collm ist der Strippenzieher. Mindestens 20 Demonstrationen hat der 51-jährige DGB-Geschäftsführer schon organisiert. Lampenfieber hat er trotzdem. „Man weiß ja nie, wie’s läuft und ob so viele kommen wie erhofft.“

Während um ihn herum Dutzende Helfer in roten DGB-Jacken wuseln, ist er für das große Ganze zuständig. Gemeinsam mit einem Kollegen vom Bundesvorstand der Gewerkschaft ist er Herr über 200 ehrenamtliche Ordner, 50 Buseinweiser und eine Handvoll kleiner Firmen. Wenn’s irgendwo hakt, muss Stefan Collm schnelle Lösungen finden. Dutzende der insgesamt 1700 Busse kommen zu spät, weil auf der Autobahn gebaut wird? Der Reuterplatz ist nicht gesperrt, wie mit der Polizei vereinbart? Toilettenhäuschen sind verschlossen? Einem Budenbetreiber fehlt die offizielle Durchfahrtgenehmigung? Alle paar Minuten kommt per Handy oder Funk ein neues Problem. Collm arbeitet eines nach dem anderen ab, delegiert Ordner von hier nach da, diskutiert mit der Polizei, beruhigt aufgeregte Kollegen, lässt Verkehrshinweise ans Radio geben.

Ab 9 Uhr steigt die Anspannung spürbar. Immer wieder rufen aufgeregte Mitarbeiter an, melden im Stau steckende Busse, fehlende Absperrungen oder Verzögerungen beim Abmarsch der drei großen Züge, die zum Brandenburger Tor marschieren. Die erhoffte Zahl von Demonstranten wird wohl überschritten. Bei früheren Demos hatte Collm manchmal Angst, dass nicht genug kommen. Heute ist es andersherum. Ab 10 Uhr funken die Kollegen von den Sammelstellen, dass der Zustrom von Demonstranten einfach nicht aufhört. Der Organisator legt seine hohe Stirn in Falten. Mehr als Hunderttausend sollen es jetzt schon sein, und noch sind gar nicht alle Busse eingetroffen. Um 11.30 Uhr kommt der erste von drei großen Zügen am Tor an. Collm läuft den Marschierern entgegen. Wie ein Hausherr, der Gäste begrüßt. „Wie schön“, sagt er und strahlt die Massen an. Eine halbe Stunde später ist die Strecke zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule ein Meer von Menschen, Fahnen, Transparenten. Collm erklimmt die Bühne, schaut gen Westen, ist ergriffen. Dies ist der Moment, für den er seit Februar gearbeitet hat. „Ist das nicht ein tolles Bild?“, sagt er.

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