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Berlin: Die Mathematik des Hans Eichel

Die Statistiken zur Verwendung der Solidarpaktmittel weisen für Berlin sogar Minusbeträge bei den Investitionen aus

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Bundesfinanzminister Hans Eichel hat Recht. Und er hat Unrecht. Von den zwei Milliarden Euro, die Berlin seit 1995 jedes Jahr aus dem Solidarpakt für die ostdeutschen Länder bekommt, wurde nur ein verschwindend geringer Teil für Investitionen ausgegeben: Also für den eigentlichen Zweck dieser „Sonderbedarfs-Ergänzungszuweisungen“ einschließlich der Investitionsförderung „Aufbau Ost“.

Nur 1997 flossen – laut Statistik – 809 Millionen Euro aus dem Soli-Topf als Investitionen in die Berliner Infrastruktur. 1999 waren es noch 20 Millionen Euro. In allen übrigen Jahren verschwand das Geld im Not leidenden Landeshaushalt. Die Fachleute errechneten daraus sogar finanztechnisch „negative Investitionen“. Eine absurde Mathematik, die den Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) schon 2003 veranlasste, die Kontrollstatistiken für das Bundesfinanzministerium als „nicht geeignet“ für Länder zu kritisieren, die sich in einer Haushaltsnotlage befinden. Aus diesen Statistiken auf eine „Fehlverwendung“ der Gelder zu schließen, sei unsinnig.

Genau dies hat Finanzminister Eichel aber am Wochenende getan. Die neuen Länder, so lautete seine Kritik, stopften mit den Fördermitteln für den „Aufbau Ost“ lediglich Haushaltslöcher. Allen voran Berlin. Rechnerisch ist das richtig, aber Eichel ging nicht auf die paradoxe Situation ein, in der die Hauptstadt steckt. Denn in Berlin werden – aufgrund der Haushaltsnotlage – seit Jahren nicht nur sämtliche Investitionen, sondern sogar ein Teil der laufenden Sach- und Personalausgaben über Kredite finanziert. Würde sich der Senat entschließen, die öffentlichen Investitionen aus den Solidarpaktmitteln zu bezahlen, hieße das: Sämtliche neuen Kredite fließen in konsumtive Ausgaben des Staates. Das wäre eindeutig verfassungswidrig und auch mit keiner verfassungsrechtlichen Ausnahmeregelung zu rechtfertigen.

Paradox ist Berlins Lage deshalb, weil die Stadt jede Menge Nachholbedarf hat, schaut man sich die Infrastruktur an. Das gilt für Straßen, Schulen, Sportstätten, Schwimmbäder und viele andere öffentliche Bauten. Die Grünen wiesen erst gestern erneut daraufhin, dass das Internationale Congress Centrum (ICC), die Staatsoper und der Steglitzer Kreisel dringend saniert werden müssten. Ganz zu schweigen vom Ausbau des Flughafens Schönefeld. Allein dafür wären rund 400 Millionen Euro nötig. Doch Berlin kann so viel Geld für Investitionen nicht einfach in den Landesetat einstellen. Das widerspräche der eingeschlagenen Konsolidierungspolitik und wäre auch dem Bundesverfassungsgericht nicht zu erklären.

Denn 2005 wird in Karlsruhe entschieden, ob sich Berlin in einer Haushaltsnotlage befindet. Ein Richterspruch zugunsten Berlins, der den Bund zu hohen Sanierungszahlungen verpflichten würde, setzt aber eine überaus harte Sparpolitik voraus. Das gilt auch für die Investitionen, jedenfalls solange diese ausschließlich auf Pump finanziert werden. Vor ein paar Tagen verkündete Sarrazin stolz, dass die für 2004 geplante Neuverschuldung Berlins wahrscheinlich um 627 Millionen Euro gesenkt werden kann. Das liegt unter anderem daran, dass im laufenden Jahr über 200 Millionen Euro für öffentliche Investitionen nicht ausgegeben werden können.

Das ist gut für den Etat und für die Klage beim Bundesverfassungsgericht. Aber es ist schlecht für Berlin, denn die ehemals geteilte Stadt leidet – im Vergleich zu anderen Großstädten im Westen – immer noch unter einer „Infrastrukturlücke“. Das gilt vor allem für den Ausbau und die Reparatur des Verkehrsnetzes und für die Schul- und Hochschuleinrichtungen.

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