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Berlin: „Die Mauerkreuze lassen keine Leerstelle zurück“ Marianne Birthler fordert ein Gesamtkonzept

Die Mauerkreuze am Checkpoint Charlie sind abgebaut. Was verliert Berlin?

Die Mauerkreuze am Checkpoint Charlie sind abgebaut. Was verliert Berlin?

Das Projekt war als befristete Kunstaktion genehmigt. Nun ist die Zeit abgelaufen. Ein Gericht hat entschieden, dass Frau Hildebrandt die Grundstücke räumen muss. Das sollte sie respektieren.

Was passiert nun mit der Leerstelle, die die Mauerkreuze zurücklassen?

Von einer Leerstelle durch die geräumten Kreuze würde ich nicht sprechen. Es gibt eine Reihe von Orten, an denen der Mauerzeit und ihrer Folgen gedacht wird. Doch es fehlt der Zusammenhang. Die Instrumente spielen jedes ein eigenes Lied, aber es gibt keine gemeinsame Melodie. Das Konzept des Kultursenators, ergänzt durch den Bundestagsbeschluss, am Brandenburger Tor der Maueropfer zu gedenken, ist ein guter Ausgangspunkt, um zu einem schlüssigen Gesamtkonzept zu kommen.

Hätte es dieses Konzept nicht schon längst geben können?

Durchaus. Aber nun ist wichtig, dass man gute Lösungen findet.

Was wäre eine gute Lösung für den Checkpoint Charlie?

In der Diskussion habe ich einen Aspekt vermisst: Es ist verständlich und gut, dass man der Toten gedenkt. Aber es ist ein ganzes Volk seiner Freiheit beraubt worden. Das kam mir in der Diskussion um die Mauerkreuze deutlich zu kurz.

Frau Hildebrandt hat mit ihren Mauerkreuzen eine Diskussion angestoßen. Geht dieser Impuls nun verloren?

Ich glaube nicht. Es gibt parteiübergreifend einen Konsens darüber, die Orte miteinander zu verbinden. Sie haben alle ihr eigenes Gesicht: Das Zentrum in der Bernauer Straße, der Checkpoint Charlie, die Kennzeichnung des Mauerverlaufs, das Denkmal „Der Rufer“, die Wargin-Installation oder das Mauer-Mahnmal im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus. Es gibt keinen Mangel an Zeichen und Hinweisen, es fehlt an Orientierung.

Und wie könnte man diese schaffen?

Das Brandenburger Tor wäre ein guter Ort, um Vorbeikommenden Grundinformationen an die Hand zu geben – als eine Art von Wegweiser auf weitere Orte in der Stadt. Wie dieser Ort im Detail gestaltet wird, müssen der Bundestag und die Stadt noch diskutieren, aber die Diskussion geht in die richtige Richtung.

Ist der ehemalige Kontrollpunkt als zentraler Ort für das Mauergedenken geeignet?

Nein. Es war historisch nicht der zentrale Ort, sondern einer, ein wichtiger. Ich würde mir schon wünschen, dass man in der Diskussion das Maß wahrt. Wenn ich die Äußerung von Frau Hildebrandt lese, die Mauertoten stürben durch den Abriss der Kreuze ein zweites Mal – das irritiert mich doch sehr. Das Ende einer Kunstinstallation steht in keiner Relation zu den menschlichen Tragödien, die sich zum Beispiel in der Bernauer Straße abgespielt haben. Dort sind Menschen aus den Fenstern gesprungen.

Interview: Marc Neller

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