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Berlin: Die Menschen im Imbiss waren ihnen egal

Der türkische Imbiss sollte lichterloh brennen. Als zwei der drei Angeklagten die Molotowcocktails warfen, drängten sich etwa zehn Gäste in der Holzbude an der Gothaer Straße in Hellersdorf.

Der türkische Imbiss sollte lichterloh brennen. Als zwei der drei Angeklagten die Molotowcocktails warfen, drängten sich etwa zehn Gäste in der Holzbude an der Gothaer Straße in Hellersdorf. „Sie haben erkannt, dass Menschen zu Tode kommen könnten“, hieß es gestern im Urteil des Berliner Landgerichts. „Es war ihnen egal.“ Die Richter werteten den Anschlag als versuchten Mord und versuchte schwere Brandstiftung. Zwei der jungen Männer wurden zu Haftstrafen von 34 und 28 Monaten verurteilt, ein 17-Jähriger kam mit einer Bewährungsstrafe von 18 Monaten davon.

In der Tat sei eine „menschenverachtende Grundhaltung zutage getreten, sagte der Vorsitzende Richter. Bei den Angeklagten sei zwar eine „diffuse rechtsradikale Einstellung“ vorhanden. Doch was in jener Nacht im Februar dieses Jahres in den Köpfen der drei jungen Männer tatsächlich vor sich ging, was der Auslöser der Tat war, konnte im Prozess nicht weiter geklärt werden. Möglicherweise sei Ausländerfeindlichkeit ein Aspekt des „Motivbündels“ gewesen, befand die Jugendstrafkammer. Fest stehe, dass keine rechtsradikale Organisation hinter der Tat stecke.

Der 19-jährige Michel J., der 21-jährige Denis L. und der 17-jährige Enrico L. hatten sich vor Gericht reuig präsentiert und sich entschuldigt. Den Brandanschlag gaben die Lehrlinge zu, einen rechtsradikalen Hintergrund aber bestritten sie. Ihre Aussagen kurz nach ihrer Festnahme hatten dagegen ganz anders geklungen. Man wollte „ein Kanakenhaus brennen sehen“, erklärte damals einer von ihnen. Ein anderer meinte, er habe mit dem Anschlag in der rechen Szene berühmt werden wollen. Und Michel J. hatte von einem Videofilm berichtet, der ihn „inspiriert“ habe. Es war ein Film über die ausländerfeindlichen Krawalle in Rostock-Lichtenhagen im August 1992. Damals randalierte der rechte Mob fünf Tage lang.

Michel J., den die Richter als „Initiator“ bezeichneten, hatte aus etwa zwei Metern Entfernung den ersten Molotowcocktail geworfen. Er traf eine Frau und verletzte sie leicht am Rücken. Ein Gast konnte die brennende Flasche ins Freie kicken, bevor größerer Schaden entstand. Den zweiten Brandsatz sollte eigentlich der 17-jährige Enrico L. werfen. Der korpulente Jugendliche aber bekam Skrupel. Auch, weil er befürchtete, nach der Tat nicht schnell genug weglaufen zu können.

Also nahm der 21-jährige Denis die Flasche, die schließlich am Türrahmen abprallte. Vor Gericht hatte er von Angst vor seinen Komplizen gesprochen. Das aber nahmen ihm die Richter nicht ab. Allerdings gingen sie in seinem Fall davon aus, dass er ein Mitläufer war. Er hat nach einem Gutachten nur einen IQ von 65. Alle drei waren bei dem Anschlag angetrunken. Das aber berücksichtige die Jugendstrafkammer „nur begrenzt“. Es könne nicht das Motto gelten: „Man säuft mal ordentlich, dann ist es nicht so schlimm.“ Die Staatsanwaltschaft hatte für die beiden Haupttäter Haftstrafen von drei und dreieinhalb Jahren gefordert, die Verteidiger Bewährungsstrafen. Kerstin Gehrke

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