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Berlin: Die Misteln bringen nicht nur Glück

Ausbreitung setzt Bäumen zunehmend zu

Ausbreitung setzt Bäumen zunehmend zu Wenn der Biologe Hans-Jürgen Daunicht recht behält, droht den Berlinern in einigen Jahren eine ganz neue Gefahr: Sie könnten von Baumruinen erschlagen werden, die nach Meinung des pensionierten Gartenbauwissenschaftlers bald massenhaft in der Stadt herumstehen werden – sofern niemand sie fällt oder, noch besser, vorher die Ursache bekämpft: die Mistel, die sich nach Daunichts Beobachtungen vor allem auf Laubbäumen im Berliner Südwesten seit ein paar Jahren enorm ausbreitet. Was Druiden als Allheilmittel und Verliebten als Glücksbringer galt, soll den Berlinern des 21. Jahrhunderts gefährlich werden?

Jetzt, wenn die Bäume kahl sind, fallen die immergrünen Mistelbüsche an den Ästen zumeist älterer Bäume besonders auf. Misteln sind Halbschmarotzer, die sich über ihren Wirt mit Wasser und Nährstoffen versorgen. Das bringt einen gesunden Baum nicht um, aber im Laufe von Jahren schwächt es ihn. So sehr, dass irgendwann Äste abbrechen, sagt Daunicht, der der Verwaltung nach eigener Aussage eine DVD mit 1048 Fotos befallener Bäume in Steglitz-Zehlendorf geschickt hat. Nun drängt er darauf, dass die Behörden etwas unternehmen.

Daunicht ist eher ein Einzelkämpfer – andere sehen die Lage weniger dramatisch. Während beispielsweise die Dresdner Stadtverwaltung ein Infoblatt zum Thema herausgegeben hat, gibt die Berliner Verwaltung keine Tipps. Holger Schmidt, der das Pflanzenschutzamt leitet, berichtet von vier Mistelzählungen seit 1987, bei denen tatsächlich eine Zunahme festgestellt worden sei. Demnächst solle wieder gezählt werden, wobei das Problem sich wohl sehr auf den Berliner Südwesten konzentriere. Verbreitet wird die Mistel hauptsächlich über Vögel, die die klebrigen Beeren fressen und den darin enthaltenen Samen unverdaut wieder ausscheiden. Während vom Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf auch auf mehrfache Nachfragen nichts zu erfahren war, berichtet die Forstverwaltung von den Misteln als altem Problem, das vor allem aus dem Grunewald und dem Düppeler Forst bekannt sei. „Aber das treibt uns nicht um“, heißt es, „wir unternehmen nichts.“

Die Biologische Bundesanstalt in Braunschweig berichtet, dass Forstleute bundesweit vor allem eine zunehmende Verbreitung von Kiefernmisteln beobachten – die allerdings in Berlin als unproblematisch gilt. Sonst sei kein auffälliger Trend bekannt. Deshalb würden Misteln üblicherweise „nur an Bäumen, die einem lieb und teuer sind“, beseitigt. Auf die Gefahr hin, dass einem die Bäume hinterher nicht mehr lieb und teuer sind. Denn nach übereinstimmender Meinung der Fachleute ist großzügiges Aussägen der betroffenen Äste die einzig praktikable Abhilfe.

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