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Freundlich sein hilft - nicht nur am Weltlachtag.

© Doris Spiekermann-Klaas

Die Montagskolumne von Hatice Akyün: Berliner, seid freundlich! Lacht! Jetzt!

Tagesspiegel-Kolumnistin Hatice Akyün ist ab jetzt freundlich. Immer. Überall. Und zu jedem. Auch im Bürgeramt und auch im BVG-Bus. Und wie fielen die Reaktionen aus?

Mir ist aufgefallen, dass ich zu oft die Stimmung meiner Umgebung übernehme. Diese Abwärtsspirale, des mürrischen, unfreundlichen und unwirschen Maulens, die einem überall im Alltag begegnet, steckt einfach an. Mich nun nicht mehr. Ab sofort liebe ich hemmungslos zurück, das ist mein neues Lebensmotto. Unfreundlichen Zeitgenossen, begegne ich mit überschwänglicher Freundlichkeit. Darauf kam ich, als ich drei Stunden am Stuttgarter Flughafen festsaß, weil mein Flieger zuerst wegen Nebels und dann wegen eines Bombenfunds in Spandau nicht starten konnte.

Ich musste an den Satz von Karl Valentin denken: „Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.“ Dann musste ich meinen Reisepass verlängern. Die Sachbearbeiterin war unfreundlich und patzig. Zuerst dachte ich daran, zurückzukeilen, überlegte es mir aber spontan anders und begann ein Gespräch mit ihr: „Darf ich Sie mal was fragen?“ – „Wenn es sein muss…“, antwortete sie ohne aufzublicken. Ich ließ nicht locker. „Wie viele Kunden haben Sie am Tag?“ – „Mehr wie vierzig,“ zischte es aus ihren bewegungslosen Lippen. „Da müssen Sie aber ganz schön kaputt sein, abends.“ „Geht so“, kam zurück und es durchzuckte sie auf ihrem Drehstuhl, als ob sie etwas abschütteln wollte.

Im Bus der BVG: "Guten Morgen!" - "Wat solln an dem Morjen schön sejn?"

„Ich hätte einen Tipp,“ fuhr ich unbeirrt fort. „Ein bisschen freundlich sein, lächeln, ab und zu Blickkontakt mit dem Gegenüber und in ganzen Sätzen sprechen, das wirkt wie Balsam für das Gemüt. Und es erspart Ihnen, abends mühsam Ihre Gesichtszüge zu entspannen.“ Das alles sagte ich in einem wahrhaftigen, aber unaufgeregtem Ton und sehr freundlich. „Wie meinen Sie das jetzt“, blaffte sie mich an. Zum ersten Mal sah ich in ihre erschrockenen Augen. „So, wie ich es gesagt habe. Ihre Haltung ändert nichts an den Umständen, macht sie aber erträglicher.“ Sie hielt inne, lächelte, schaute mich freundlich an und sagte. „Hier ist Ihr Pass, bitteschön.“

Lachen tut nicht weh. Hatice Akyün macht's vor.
Lachen tut nicht weh. Hatice Akyün macht's vor.

© Kai-Uwe Heinrich

Zu Hause machte ich mich ein wenig schlau. Ich fand heraus, dass Freundlichkeit sozialpsychologisch gezielt die Intention des Handelns im Umgang mit anderen Menschen, ihren Nutzen für ein kooperatives Miteinander, auch in Konfliktsituationen beflügelt. Gut, den Satz musste ich drei Mal lesen, bis ich ihn endlich verstand. Gemeint ist eigentlich nur, dass meine freundliche Erwiderung auf die Unfreundlichkeit der Sachbearbeiterin dazu diente, dass sie mir ohne Schikane, der Entdeckung der Langsamkeit oder Aufsagen des Kleingedruckten mir meinen Pass aushändigt und mich nicht erneut bei ihr antanzen lässt. Berliner muss man wohl erst in Ausnahmesituationen bringen, um in den Genuss ihrer Freundlichkeit zu kommen. Aber ich überwinde nun das eingespielte Ritual der Egalität, sprenge ein Loch in den Panzer der Gleichgültigkeit, um so das soziale Wesen meiner Mitmenschen frei zu legen. In alltäglichen Situationen verzichten wir oft auf dieses unnütze, zwischenmenschliche Geplänkel, das Wertschätzung zumindest simuliert. Mein neue Dauerfreundlichkeit probiere ich jetzt in jeder Situation, an jedem Ort und mit den unterschiedlichsten Menschen aus. Im Kaufhaus, an der Service-Hotline, bei meinem Mobilfunkanbieter, in der U-Bahn.

Nur einmal habe ich es wohl ein wenig übertrieben. Ich stieg in den Bus und sagte zum Busfahrer: „Einen wunderschönen guten Morgen, eine Kurzstrecke bitte.“ Er schaute kurz hoch und sagte mürrisch: „Wat solln an dem Morjen schön sejn?“ Irgendwie hatte er auch wieder recht.

Die Chinesen sagen, dass Freundlichkeit die höchste Form der Verachtung sei. Ich finde den Wettbewerb, anderen ein gutes Gefühl des Miteinanders zu vermitteln, eine gute „Everyday-Challenge“. Einfach kurz durchatmen und ausprobieren, es wirkt

Oder wie mein Vater sagen würde. „Güler yüzlü sirke saticisi, eksi yüzlü bal saticisindan fazla kazanir.“ Ein lachender Essigverkäufer macht bessere Geschäfte, als ein griesgrämiger Honigverkäufer.

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