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Berlin: Die Nächste, bitte

ICC, Velodrom, Arena, Max-Schmeling-, Deutschlandhalle und jetzt der Baubeginn für die O2-World am Ostbahnhof. Hat Berlin nicht genügend Großhallen?

Am 13. September war Baubeginn – symbolisch zumindest und rechtzeitig vor der Wahl. Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister, Veronica Ferres, Schauspielerin und O2-Werbeträgerin, O2-Chef Rudolf Groeger und die Leitenden der Anschutz Entertainment Group, Detlef Kornett und Timothy J. Leiweke, legten den Grundstein für die Multifunktionshalle am Ostbahnhof. Eine mehr für Berlin. Eine mehr, die ausgelastet sein muss. Doch im Jahr kommen nur schätzungsweise fünf, sechs Stars nach Berlin, die solch eine Halle füllen könnten. Da sind die Kritiker nicht weit. „Es ist grotesk, was hier passiert“, sagt Marek Lieberberg, Deutschlands wichtigster Konzertveranstalter. „Berlin baut eine Halle nach der anderen. Nebeneinander können die nicht überleben. Berlin hat kein Umland, wenig Kaufkraft, die Zuschauer sind schwer zu begeistern.“ Und in den Sommermonaten seien die Waldbühne und die Wuhlheide attraktivere Alternativen für Stars wie Grönemeyer, Metallica oder Robbie Williams. Genügend Auswahl zumindest haben sie.

O2-World, Eröffnung: 2008

Kapazität: 17 000 maximal

Baukosten: 150 Millionen Euro

Die Bauherren versprechen, die modernste und zugleich vielseitigste Halle zu bauen. Morgens könne ein Eishockeyspiel stattfinden, abends trotz umfangreicher Umbauten ein Popkonzert beginnen. Lieberberg sagt: „Eine moderne Halle in dieser Größenordnung hat Berlin gefehlt“, doch er rechne nicht mit positiven Geschäftszahlen. Für Kongresse kommt die Arena kaum in Frage, weil Unternehmen immer im Frühjahr einladen – nur dann spielen die Eisbären. Und: Mit Waldbühne und Wuhlheide hat die Halle von Mai bis Oktober starke Konkurrenz. Mit der Zuschauerzahl erreicht die Arena eine Größenordnung, die für Top-Acts der Musikbranche notwendig ist – Konzerte also, die bislang an Berlin vorbeigegangen sind. Bauherr ist die Anschutz Entertainment Group, die mit großen Konzertveranstaltern kooperiert oder eigene Künstler unter Vertrag hat.

ICC, Eröffnung: 1979

Kapazität: 9100 Plätze maximal

Baukosten: 465 Millionen Euro

In den Achtzigern rockte noch Sting im ICC, zuletzt klatschten die Fans von Florian Silbereisen begeistert beim „Überraschungsfest der Volksmusik“. Die volle Kapazität könne bei Konzerten nicht genutzt werden, „weil der Künstler dann in zwei Richtungen gucken müsste“, sagt Marek Lieberberg. Damit meint er die spezielle Architektur, nach der zwei Einzelhallen zu einer verschoben werden können. Die Bühne wäre dann in der Mitte. „Wir sind keine Location für Popstars“, sagt auch ICC-Direktor Ralf Kleinhenz. Nur noch zehn Prozent seien Event-Veranstaltungen, „unsere Stärke sind die Kongresse“. So wird beispielsweise die Lufthansa ihre Vollversammlung im ICC abhalten. Ende November steht erst mal das nächste Großereignis an, wer ICC–Karten will, kommt auf eine „Warteliste“. Dann sind die Flippers zu Gast am Messedamm.

Max-Schmeling-Halle, Eröffnung: 1996

Kapazität: 11 950 maximal

Baukosten: 105 Millionen Euro

Für große Popstars ist die Halle zu klein, die enormen Kosten für die aufwendige Technik rechnen sich daher nur schwer. Beispiel Madonna: Als sie 2001 hier gastierte, spielte sie drei Tage hintereinander. So kommen die Kosten herein. Das Problem: Superstars auf Tournee reisen lieber nach einem Konzert weiter in die nächste Stadt. Der größte Nachteil der Schmeling-Halle ist aber ihre Lage. Mitten in einem Wohngebiet in Prenzlauer Berg mit nur ganz wenigen Parkplätzen – alles andere als ideal für große Veranstaltungen. Und Albas Basketballer und die Handballer der Füchse schielen schon zur O2-World – und würden 2008 wohl umziehen. Branchenkenner spotten: „Eine Schulsporthalle hätte man billiger haben können.“

Velodrom, Eröffnung: 1997

Kapazität: 12 000 maximal

Baukosten: 135 Millionen Euro

Das große Hallenrund ist als Arena für Popkonzerte alles andere als ideal. Die markante Dachkonstruktion der Halle ist statisch nicht so belastbar, wie es moderne Konzerthallen erfordern. Hier können nicht so viele Scheinwerfer und Lautsprecher gehängt werden, sodass die aufwendige Technik einer Hallen-Bühnenshow nicht immer Platz findet. Für einmalige Show-Produktionen spielt das aber keine Rolle. Beispiel Robbie Williams: Als er seine aktuelle CD mit einem Konzert im Velodrom präsentierte, wurde die Technik anderswo untergebracht und das Dach in die Lichtshow einbezogen. Lieberbergs Vorschlag: „Für einen symbolischen Euro verkaufen.“

Deutschlandhalle, Eröffnung: 1935

Kapazität: 8500 maximal

Mit dem Bau von Velodrom und Max-Schmeling-Halle wurde die bei Konzertveranstaltern sehr beliebte Deutschlandhalle stillgelegt. Der Senat schloss mit der Firma Velomax einen Betreibervertrag für die beiden neuen Sporthallen ab: Kern ist die Zusicherung, dass keine Popkonzerte mehr in der Deutschlandhalle stattfinden dürfen, und ein stattlicher Betriebskostenzuschuss.

Arena Treptow, Eröffnung: 1927

Kapazität: 7500 maximal

Ehemals die größte freitragende Halle Europas, ist die Arena seit mehr als zehn Jahren die einzige ohne öffentliche Zuschüsse arbeitende Veranstaltungshalle der Stadt. Aus dem früheren Busdepot machten die Betreiber eine Multifunktionsarena für Konzerte, Shows, Partys oder Gala-Diners. Lieberberg schätzt die Arena, vermisst in Berlin jedoch eine „moderne, schickere Konzert-Location im 4000-Zuschauer-Bereich“. Das Tempodrom könne die Lücke nicht schließen.

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