zum Hauptinhalt
Ein Haufen Arbeit: Nicht nur für das Abgeordnetenhaus waren Millionen Stimmzettel auszuzählen. Auch über ihre Bezirksverordnetenversammlungen haben die Berliner abgestimmt.

© dpa

Die neue Macht in den Rathäusern: So hat Berlin in den Bezirken gewählt

Die Piraten sind in sämtliche Bezirksverordnetenversammlungen eingezogen - die FDP in keine einzige. Die rechtsextreme NPD hat es dreimal geschafft. Was sich sonst in den Bezirken ändert.

Nicht nur auf Landesebene hat die Piratenpartei einen großen Wahlsieg errungen - die Piraten entsenden auch Vertreter in sämtliche Bezirksverordnetenversammlungen. Insgesamt hat die Partei 56 Mandate erobern können. "Die Bezirksverordnetenversammlungen sind ebenso wichtig wie der Landtag, weil die Arbeit im Bezirk viel näher an den Menschen ist. Wir wollen den Einfluss der Bezirke stärken und die Zusammenarbeit mit dem Landtag verbessern", sagte Gerhard Anger, Landesvorsitzender der Partei. In mehreren Bezirken sei der Wahlerfolg so groß gewesen, dass die Listen der Piratenpartei zu kurz waren. In einem Bezirk, nämlich in Friedrichshain-Kreuzberg, kann die Piratenpartei sogar einen von insgesamt vier Stadträten stellen.

Jubel bei den Piraten, Verzweiflung bei der FDP: In keiner einzigen BVV sind die Liberalen mehr vertreten. Ihr desaströses Scheitern bei der Berlin-Wahl ist damit komplett.

Wie die Berliner in den Stadtteilen außerdem gewählt haben, Bezirk für Bezirk:

Charlottenburg-Wilmersdorf

Die CDU hat die SPD als stärkste Kraft abgelöst – und so entscheiden wohl die Grünen mit über den Bürgermeister in der City-West. In Zählgemeinschaften könnten sie den Baustadtrat und Vize-Bürgermeister Klaus-Dieter Gröhler (CDU) oder Reinhard Naumann (SPD) – bisher Stadtrat für Familie, Jugend, Schule und Sport – an die Spitze wählen. Eine schwarz-rote Zählgemeinschaft ist eher unwahrscheinlich. Monika Thiemen (SPD) hatte nach zehn Jahren als Bürgermeisterin nicht wieder kandidiert.

Friedrichshain-Kreuzberg

Bezirksbürgermeister Franz Schulz (63) von den Grünen bleibt im Amt und hat die Altersgrenze von 65 Jahren damit geschickt umgangen. Die Bastion der Grünen wird weiter ausgebaut, während SPD und Linke relativ deutlich verlieren. Wenn man der Linken auch noch die WASG zurechnet, die 2006 antrat, belaufen sich die Verluste sogar auf fast zehn Prozent. Überraschend: Die Piraten könnten mit 14 Prozent Stimmenanteil einen Stadtratsposten beanspruchen. Dennoch bleibt das Bezirksamt weitgehend grün.

Lichtenberg

In Lichtenberg müssen die Linken nach der letzten Hochrechnung einen Absturz um 6,6 Prozent auf nur noch 29 Prozent der Stimmen hinnehmen. Christiana Emmrich von den Linken kann damit zwar ihren Posten als Bezirksbürgermeisterin behalten, muss sich aber auf eine stärkere Opposition einstellen. Die SPD erzielt 30,9 Prozent der Stimmen und damit 1,5 Prozent mehr, die Grünen kommen auf ein bescheidenes Ergebnis von 7,6 Prozent (plus 2,4). Die NPD dürfte erneut ins Bezirksparlament einziehen.

Lesen Sie auf Seite 2, wer in Marzahn-Hellersdorf überraschend gut abgeschnitten hat und wie Heinz Buschkowsky in Neukölln abgeschnitten hat.

Marzahn-Hellersdorf

Nur noch knapp fünf Prozentpunkte trennen in Marzahn-Hellersdorf die Linken und die Sozialdemokraten. Grund dafür ist der Einbruch der viele Jahre dominierenden Linkspartei um 7,1 Prozent auf jetzt noch 31,1 Prozent. Von diesen Verlusten profitierte vor allem die SPD, die um 1,4 Prozent auf 26,4 Prozent zulegte. Eine noch größere Steigerung legte überraschend die CDU hin. Die verbesserte sich um 4,4 Prozent auf 17,4 Prozent. Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle von den Linken darf ihre Arbeit aber fortsetzen.

Mitte

Christian Hanke von der SPD regiert geräuschlos und farblos den wichtigen Bezirk Mitte – und er wird das trotz Verlusten wahrscheinlich weiter tun. Seine prominente Gegenkandidatin, die ehemalige Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer von den Grünen, muss sich wohl einen anderen Job suchen. Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) kann nun weiter ungestört an seiner Profilierung arbeiten. In Mitte wird über die wichtigsten Bauvorhaben der Stadt entschieden, da kann man sich einen Namen machen, über Partei und Stadt hinaus.

Neukölln

Heinz Buschkowsky (SPD) kann mit deutlich mehr als 40 Prozent der BVV–Stimmen noch unbekümmerter regieren als er es ohnehin schon tut – er erreichte im Bezirksvergleich das beste SPD-Ergebnis. Die CDU wurde mit einem Minus von knapp neun Prozent für ihre langwierigen Querelen abgestraft, ihre Wähler liefen offenbar zu den Sozialdemokraten über, denn Buschkowsky fischt mit markigen Law-and-Order-Sprüchen ohnehin im konservativen Lager. Die einzige Bündnisgrüne im Bezirksamt, Jugendstadträtin Gabriele Vonnekold, dürfte ihren Posten behalten.

Spandau

Der langjährige CDU-Anspruch auf das Bürgermeisteramt könnte ein Ende haben. Bei der Bezirkswahl 2006 lagen SPD und Grüne zusammen mit 1,2 Prozent Vorsprung nur knapp vor den Christdemokraten, weshalb sich die SPD dann für eine Zusammenarbeit mit der CDU im Bezirksamt entschied. Durch den jetzigen CDU-Verlust und die Gewinne bei SPD und Grünen, hat Rot-Grün aber einen Vorsprung von 7,7 Prozent. Die SPD ist zwar nur zweitstärkste Partei, mit den Grünen hätte sie aber die Chance, ihren Bürgermeisterkandidaten Helmut Kleebank gegen CDU-Bewerber Carsten Röding durchzusetzen.

Lesen Sie auf Seite 3, wer in Treptow-Köpenick Berlins jüngster Bezirksbürgermeister wird.

Steglitz-Zehlendorf

Norbert Kopp (CDU) bleibt Bürgermeister im Südwesten. Dies scheint klar, weil die CDU wie gewohnt die stärkste BVV-Fraktion stellt und ihre Führungsrolle sogar ausgebaut hat. Wahrscheinlich bekommt der 57-Jährige Kopp, der dem Bezirksamt seit den 90er Jahren angehört und vor fünf Jahren Chef im Rathaus wurde, die notwendige Mehrheit erneut durch eine Zählgemeinschaft von CDU und Grünen. Verliererin ist die SPD-Kandidatin und Wirtschaftsstadträtin Barbara Loth. Auf jeden Fall braucht der Bezirk einen neuen Baustadtrat, denn Uwe Stäglin (SPD) zog vor kurzem als Baudezernent nach Halle.

Pankow

Matthias Köhne (SPD) wird der Erste sein. Bislang ist es noch keinem Pankower Bürgermeister gelungen, sein Amt bei einer Wahl zu verteidigen. Nun liegt Köhnes Partei wieder vorne – diesmal vor den Grünen, die im Vergleich zu 2006 (17,2 Prozent) noch einmal deutlich zulegen und damit die Linke als zweitstärkste Kraft ablösen. Als großer Gewinner des Abends stehen auch hier die Piraten da – mehr als zehn Prozent der abgegeben Stimmen konnten sie einheimsen. Die CDU erreicht als viertstärkste Kraft fast 14 Prozent, die FDP ist mit gut einem Prozent abgeschlagen.

Reinickendorf

Der Bezirk bleibt eine Hochburg der Christdemokraten. Sie verlieren dort nur 0,1 Prozent, während die Sozialdemokraten 1,5 Prozent einbüßen. Der bisherige SPD-Jugendstadtrat und Herausforderer von Bezirksbürgermeister Frank Balzer hat sein Ziel verfehlt. An den Machtverhältnissen im Bezirksamt wird sich also kaum etwas ändern. Den Grünen, die 5,1 Prozent zulegen, und den neu hinzugekommenen Piraten fällt in der BVV nun die maßgebliche Oppositionsrolle zu. Die FDP ist auch im traditionell bürgerlichen Reinickendorf zur Splitterpartei geschrumpft.

Tempelhof-Schöneberg

Die CDU hat die SPD überrundet und ist nun mit 2,5 Prozent Vorsprung stärkste Partei im Bezirk. Folglich will sie möglicherweise den Bezirksbürgermeister stellen. Für diesen Posten hatte die SPD ihre bisherige Jugendstadträtin Angelika Schöttler ins Rennen geschickt. Bessere Chancen hat nach dem SPD-Verlust von 5 Prozent aber der CDU-Bewerber und bisherige Baustadtrat Bernd Krömer. Ansonsten könnten sich die Machtverhältnisse im Bezirksamt noch zugunsten der Grünen verschieben, die 6,1 Prozent zulegen. Sie stellen bisher eine Stadträtin.

Treptow-Köpenick

Die beiden Platzhirsche SPD und Linke verlieren ungefähr gleich viele Stimmen, rund 4 Prozent, die Grünen sind erstmals zweistellig, die CDU legt ebenfalls zu. Doch die Gewichte in der BVV und im Bezirksamt werden sich kaum verschieben. Mit Oliver Igel, SPD Spitzenkandidat, übernimmt ein Literaturwissenschaftler das Rathaus. Mit 33 Jahren wird Igel der jüngste Bezirksbürgermeister Berlins sein. Bislang arbeitet er als wissenschaftlicher Assistent im Bundestag. Seine Vorgängerin, Gabriele Schöttler, hatte auf eine erneute Kandidatur verzichtet.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false