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Berlin: Die Offensive ging nach hinten los

Justizverwaltung veröffentlicht den Tempodrom-Brief an die Staatsanwaltschaft, die Opposition sieht sich nun erst recht bestätigt

Eigentlich wollte Justiz-Staatssekretär Christoph Flügge die Wogen glätten, als er am Montag den umstrittenen Brief der Justizverwaltung an die Generalstaatsanwaltschaft im Zuge der Tempodrom-Ermittlungen aufs Fax legte. Zeitgleich wies er in einem Schreiben an die rechtspolitischen Sprecher der Parteien im Abgeordnetenhaus den Vorwurf eines Skandals zurück. Erreicht hat Flügge jedoch genau das Gegenteil.

„Der Brief hat meine schlimmsten Erwartungen sogar noch übertroffen“, sagt Christoph Meyer (FDP). Er entdeckt einen „Parallellauf“ zwischen den Verteidigungsbemühungen der SPD-Mitglieder im Untersuchungsausschuss und der SPD-geführten Justizverwaltung. Sein Kollege von der CDU, Michael Braun, zugleich Vorsitzender des Tempodrom-Untersuchungsausschusses, sieht das ähnlich: „Die Argumentation ist völlig identisch.“ Die Sprecherin der Justizverwaltung, Andrea Boehnke, erklärte: „Nur weil man aus unterschiedlichen Blickwinkeln auf die gleiche Sache schaut und zur gleichen Beurteilung kommt, heißt das ja noch lange nicht, dass man miteinander kungelt.“ Aus der SPD-Fraktion war keine Stellungnahme zu bekommen.

Wie berichtet, hatte die Justizverwaltung einen Brief an die Generalstaatsanwaltschaft geschrieben. Inhalt: Die Vorwürfe gegen Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) wegen einer Zahlung der landeseigenen Investitionsbank an das Tempodrom seien zu kurz gegriffen. Briefe dieser Art sind in Berlin äußerst selten. Dass es eine SPD-geführte Justizverwaltung ist, die sich in die Ermittlungen gegen einen SPD-Finanzsenator einschaltet, bringt die Oppositionsparteien auf die Barrikaden.

Justizsenatorin Karin Schubert ist wegen der Ermittlungen wiederholt in der Kritik. Am Abend, als die Staatsanwälte die Ermittlungen gegen Sarrazin und Ex-Senator Peter Strieder (SPD) aufgenommen hatten, war sie bei einer Sitzung der Partei dabei, in der eine Erklärung verabschiedet wurde, die das Vorgehen der Staatanwaltschaft kritisierte. Den Vorwurf, Schubert habe an der Sitzung nicht teilnehmen dürfen, wies sie zurück.

Die striktere Trennung von Staatsanwaltschaft und Justizverwaltung ist mit dem Rücktritt von Baden-Württembergs Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck (FDP) wieder auf die politische Tagesordnung gekommen. Sie hatte ihren Parteifreund, den früheren Wirtschaftsminister Walter Döring, über Ermittlungen gegen ihn informiert. Werwigk-Hertnecks Nachfolger Ulrich Goll (FDP) will deshalb die so genannte Berichtspflicht einschränken. Die Ermittler müssen die Ministerien in einigen Bundesländern davon in Kenntnis setzen, wenn sie für die Öffentlichkeit bedeutsamen Fällen nachgehen wollen.

Der Fall Schubert liegt jedoch anders. Sie hat sich mit ihrem Brief in laufende Ermittlungen eingeschaltet. Nach dem geltenden Recht ist das nicht verboten. Den Landesjustizverwaltungen steht „das Recht zur Aufsicht und Leitung“ aller staatsanwaltschaftlichen Beamten des Landes zu, heißt es im Gerichtsverfassungsgesetz. Dementsprechend sind die Beamten auch an Weisungen ihrer Vorgesetzten gebunden.

In der Praxis machen die Justizminister davon keinen Gebrauch, zu groß ist das Risiko, der politischen Einflussnahme bezichtigt zu werden. Auch Schubert hat es nicht getan. Der Brief aus ihrer Verwaltung enthält keine Vorgaben, sondern lediglich – sehr detaillierte – rechtliche Hinweise. Dennoch kritisiert der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Jerzy Montag, das Vorgehen der Senatorin scharf: „So etwas sollten Justizminister nicht machen. Das hat immer den Schein der bösen Einflussnahme“, sagte Montag dem Tagesspiegel. In der Praxis gebe es überhaupt keine Formulierung, die nicht als Weisung ausgelegt werden könnte. Derlei Schreiben seien deshalb immer „ein politischer Fehler“, sagte Montag.

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