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Berlin: Die Polizei probt den Ernstfall – mit der AG Irak-Krieg

Kontrollen, Überwachung und Straßensperren: Wie sich Berlins Sicherheitskräfte auf Vergeltungsschläge vorbereiten

Die Bevölkerung muss sich im Falle des Falles, bei einem Irak-Krieg, auf Kontrollen in der Stadt und eine noch schärfere Überwachung auf Flughäfen einstellen. Sogar die Bundeswehr könnte zur Unterstützung kommen. Die Bundesregierung und viele andere Regierungen wollen einen drohenden Krieg noch verhindern. Doch trotz Friedensbemühungen können die Sicherheitsbehörden es sich nicht leisten, die Augen zu verschließen. Der jüngst aufgedeckte Plan eines Inders, der ein Flugzeug in ein US-Gebäude in Berlin stürzen wollte, beweist, dass bei aller bisherigen Ruhe die Gefahr von Selbstmordattacken immer gegenwärtig ist. Mit einem Kriegsbeginn dürfte sich die Sicherheitslage zuspitzen. Deshalb bereitet sich die Polizei hinter verschlossenen Türen längst vor.

Beim Diebstahl zweier Deostifte bei Woolworth war im Januar der Inder N. festgenommen worden. Die Polizei fand zwar keinen Pass: Dafür aber einen Pilotenausweis, einen Zettel, indem der Mann mit dem Absturz einer Maschine auf ein US-Gebäude drohte, und im Auto lag ein Abschiedsbrief. In den Fall hat sich offenbar bereits das Bundesinnenministerium (BMI) eingeschaltet. Zwar gehen die Behörden davon aus, dass der Mann psychisch krank ist. Trotzdem könne man auch hier nicht sagen, zu welchen Taten der Betreffende fähig wäre. Das BMI drängte darauf, dem Mann die Fluglizenz zu entziehen, hatte aber keine rechtliche Handhabe für den Entzug.

Mit solchen oder noch gravierenderen Fällen rechnet die Polizei erst recht bei einem Kriegsbeginn. Im Stillen haben Landeskriminalamt (LKA) und Schutzpolizei längst eine gemeinsame AG Irak-Krieg, wie der Krisenstab bei der Berliner Polizei auch genannt wird, eingerichtet. Ein gutes Dutzend Beamte entwirft seit Ende Januar die unterschiedlichen Szenarien – das reicht von harmlosen Spontandemonstrationen bis hin zu terroristischen Anschlägen. Horrorvisionen sind etwa ein Flugzeug auf den Potsdamer Platz oder gar Gift in der Wasserversorgung.

Gedacht werden muss auch an Selbstmordattentate – gerade in der Hauptstadt mit den vielen Botschaften. Als sich vor wenigen Wochen ein Palästinenser selbst bezichtigte, einen Anschlag zu planen, wurden die Straßen um die US-Einrichtungen weiträumig gesperrt. Und der Senat besorgt – sicherheitshalber – große Mengen eines Pockenimpfstoffs. „Wir können den worst case nicht außen vor lassen“, sagt ein ranghoher Polizeibeamter, „auch wenn wir derzeit nicht davon ausgehen, dass er eintritt“.

Um Gewalttaten noch im Ansatz zu verhindern, observiert der Staatsschutz intensiv die islamistische Szene anhand so genannter Gefährderlisten. Im LKA wird zudem gerade ein so genanntes biologisch-chemisches Massenspektrometer, eine Art Geigerzähler für Giftgase, einsatzfähig gemacht. Die Spezialisten programmieren jetzt die Software, damit das Gerät im Notfall Kampfstoffe aufspüren kann. Erstmals soll damit vor Ort festgestellt werden können, ob etwa das gefürchtete Anthrax verteilt oder ein giftiges Gas in die U-Bahnschächte geleitet wurde.

Mit der Schutzpolizei entwickelt das LKA eine Planung zur Bewachung möglicher Anschlagsziele. Neben den Botschaften und öffentlichen Einrichtungen der USA, Großbritanniens, gegebenenfalls Frankreichs und auch neben jüdischen und israelischen Einrichtungen nimmt die Polizei dann auch kommerzielle Unternehmen mit in die Beobachtung. Diese werden von den Sicherheitsexperten schon informiert und für Notfälle instruiert. Über den konkreten Schutz der Gebäude hinaus erstellt die Polizei ein „Raumschutzkonzept“. Denkbar sind dabei Straßenkontrollen oder Straßensperren.

Sollte ein Krieg länger dauern, denken die Beamten angesichts des knappen Personals an Unterstützung durch die Polizei anderer Länder und die Bundeswehr. Die Hilfe der Bundeswehr ist für den Katastrophenfall denkbar – aber dann auch nötig. Denn, wie ein Sicherheitsexperte sagt: „Es geht ja nicht nur um den Tag X des Kriegsbeginns. So ein Krieg kann sich hinziehen.“

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