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Berlin: Die Quittung für den Sündenfall

Der noch geheime Schlussbericht zur Tempodromaffäre nennt viele Schuldige: Banker, Bauherren, Politiker

Es begann mit Leichtfertigkeit, dann folgten Versäumnisse und Pflichtverstöße, die das Tempodrom zum Politikum machten. Die Schuld an der Affäre um den finanziell außer Kontrolle geratenen Kulturbau tragen Bauherren, Banker und Verantwortliche quer durch die politischen Lager. Das ist in Kürze die Bilanz, die der Untersuchungsausschuss zum Tempodrom im noch unveröffentlichten Abschlussbericht seiner zweijährigen Arbeit zieht, der dem Tagesspiegel in Auszügen vorliegt.

In der nächsten Woche soll das rund tausend Seiten starke Werk im Abgeordnetenhaus diskutiert werden – politischer Schlusspunkt der Affäre. Juristisch wird weiter gegen die Tempodrom-Gründer sowie Behördenmitarbeiter ermittelt.

Scharf rechnet der Bericht mit all jenen ab, denen die Abgeordneten eine Mitschuld daran geben, dass der Bau mit fast 33 Millionen Euro doppelt so teuer wie geplant wurde – zu Lasten der Steuerzahler. Wegen Meinungsverschiedenheiten zwischen rot-roter Koalition und Opposition enthält der Bericht zwei unterschiedliche Schlussbewertungen. Hauptstreitpunkt ist die Rolle des einstigen Senators und SPD-Chefs Peter Strieder, der im April 2004 wegen der Affäre zurücktrat. CDU, FDP und Grüne heben seine Verantwortung hervor, für SPD und Linkspartei/PDS ist er nur einer von vielen, die sich kritikwürdig verhalten haben.

Die offizielle Bewertung, die die Regierungsparteien mehrheitlich verabschiedeten, sieht ein Verantwortungsgeflecht, das man knapp so zusammenfassen kann: Es gab mindestens zehn folgenreiche Fehler, und für die Entwicklung waren mehr Menschen verantwortlich als zu Beginn angenommen.

Am Anfang steht für die Ausschussmehrheit die Verflechtung zwischen den Tempodrom-Gründern Irene Moessinger und Norbert Waehl und jenen, die das Projekt kontrollieren sollten. Fehler Nummer zwei: Die Bauherren – die wegen der laufenden Ermittlungen weiter schweigen – agierten leichtfertig und waren überfordert. Der Kulturbau wurde drittens gebaut, bevor ein belastbarer Plan vorlag. Vierter Fehler: Es gab dank Unterstützern bei SPD, CDU und Grünen vor Baubeginn Millionen von Bund, Land und EU, obwohl der Anspruch im Nachhinein nicht zweifelsfrei geklärt werden kann.

Fehler Nummer fünf – und für Rot-Rot der „eigentliche Sündenfall“, wie es fett gedruckt im Abschlussbericht heißt: Die Landesbank gewährte einen Kredit von knapp 13 Millionen Euro, obwohl die Rückzahlung fraglich war. Sechstens: Bank, Wirtschaftsprüfer sowie die damals CDU-geführten Finanz- und Wirtschaftsverwaltungen prüften die Bürgschaft des Landes dafür nur unzureichend. Fehler Nummer sieben: Die Bank teilte dem Land Kostenerhöhungen zu spät mit. Als der rot-grüne Senat und Bausenator Strieder eingeschaltet wurden und eine erste Millionenhilfe gewährten, sei es zur Umkehr zu spät gewesen. Achtens: Wegen illusorischer Konzepte rutschte das Tempodrom von der ersten Finanzkrise gleich in eine zweite, die der Senat mit einer erneuten Millionenspritze behob. Neuntens: Auch nach dem zweiten Rettungsversuch verschwiegen Banker gegenüber Strieder den wahren Finanzbedarf. Und zehntens: Über die letzte Rettungsaktion hätte Strieder im Sinne der politischen Transparenz das Parlament eher informieren sollen.

Die schweren Vorwürfe, denen Strieder zu Beginn der Affäre ausgesetzt war, sieht die rot-rote Ausschussmehrheit als widerlegt an. Er habe nicht rechtswidrig gehandelt und nur Folgen von Fehlern anderer zu beschränken versucht. Auch habe man keine Belege für den Vorwurf von Ex-Justizsenator Wolfgang Wieland (Grüne) gefunden, Strieder habe seinen Senatskollegen die Unwahrheit gesagt. Die Opposition hält dagegen einen Teil der Vorwürfe aufrecht. Sie will ihre Bilanz in dieser Woche separat vorstellen.

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