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Berlin: Die reine Liebe und nichts als die Liebe IM AUGE DER FILMKAMERA: ALFRED DÖBLINS GROSSER BERLIN-ROMAN VON 1929 UND SEINE BEIDEN REGISSEURE

Polizeischutz für den Regisseur: 50 Jahre nach Phil Jutzi, für den „Berlin Alexanderplatz“ zum Gipfelpunkt der Karriere wurde, verfilmte Rainer Werner Fassbinder das Buch

Ein ungleicheres Paar als den Regisseur und den Hauptdarsteller des ersten „Berlin Alexanderplatz“Films kann man sich kaum vorstellen: hier der zierliche und im Krieg wegen eines körperlichen Gebrechens dienstuntauglich gestellte Phil Jutzi, dort der Kraftkerl Heinrich George, dominant schon durch die Statur, der „den kleinen, bescheidenen Mann oft allein mit seiner Präsenz“ überfuhr, wie sich der Schauspieler Gerhard Bienert erinnerte. Für Jutzi wurde der Döblin-Film zum Gipfelpunkt seiner Karriere. Symptomatisch war dafür schon der Rechtsstreit um seinen Namen, den er 1931 verlor. 1896 als Philipp Jutzi geboren, hatte er sich erst den Künstlernamen Phil zugelegt, den er Anfang der zwanziger Jahre in Piel änderte. Dagegen hatte der Schauspieler und Regisseur Harry Piel geklagt – erfolgreich. Auch politisch machte Jutzi damals eine Wende durch. Ende 1929 war er enttäuscht aus der KPD ausgetreten, im März 1933 wurde er Mitglied der NSDAP. Ein „überzeugter Nazi“ war er wohl nicht, und seine Filme „Hunger in Waldenburg“ und „Mutter Krausens Fahrt ins Glück“ wurden verboten. Jutzi drehte nun vor allem anspruchslose Kurzspielfilme, arbeitete als Kameramann für die Reichspost-Fernseh-Gesellschaft und geriet immer mehr in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Zuletzt konnte er wegen seiner schlechten Gesundheit kaum mehr arbeiten und starb 1946 in Neustadt an der Weinstraße.

Rainer Werner Fassbinder dagegen, der zweite Regisseur, der „Berlin Alexanderplatz“ verfilmte, war seinem Hauptdarsteller Günter Lamprecht zweifellos gewachsen. Fassbinder hatte das Buch in seiner Pubertät gelesen, es gewann für ihn eine „große, fast existentielle Bedeutung“. Seine Interpretation des Romans, vom WDR als 14-teilige TV-Serie in Auftrag gegeben, war denn auch betont subjektiv, konzentrierte sich auf das Verhältnis von Franz Biberkopf und seinem Freund Reinhold: Es sei aber keine homosexuelle Beziehung. „Nein, das, was zwischen Franz und Reinhold ist, das ist nicht mehr und nicht weniger als eine reine, von nichts Gesellschaftlichem gefährdete Liebe.“ Die Serie, gesendet zwischen dem 12. Oktober und 29. Dezember 1980, wurde schon Monate vor der Sendung Gegenstand von Kampagnen vor allem in der Boulevardpresse. Fassbinders Wohnung musste sogar nach einer Morddrohung unter Polizeischutz gestellt werden. So wurde sein Film zum überragenden Medienereignis des Jahres. ac

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