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Berlin: Die Rest-Liberalen

Vor der Aufstellung der Landesliste zur Bundestagswahl muss sich die Berliner FDP neu sortieren.

Sie sehen sich auf dem Weg der Besserung. Im Jahr zwei nach dem Hinauswurf aus dem Abgeordnetenhaus haben viele Berliner Liberale das Gefühl, es gehe aufwärts. Am kommenden Freitag wollen sie die Landesliste für die Bundestagswahl zusammenstellen – bewährte Kräfte obenan. Jetzt sagen sie sich und der Welt, dass der Abwärtstrend mit der Niedersachsenwahl gestoppt sei. Ende Januar hatten die Liberalen dort überraschende 9,9 Prozent geholt. Seither, so bemerken unverdrossene Bezirkspolitiker, bekennen sich die Mitglieder wieder öffentlich zur Partei – auch wenn die FDP in neueren Umfragen wieder unten an der Fünf-Prozent-Grenze entlangschrammt.

Martin Lindner auf Platz eins, Lars Lindemann auf zwei, Holger Krestel auf drei – so stellt man sich in dem von Lindner geführten Landesvorstand die Liste vor. Gemeinsam bekräftigten Lindner und Lindemann jüngst, man werde einander unterstützen, was auch für Krestel gelte. Soll heißen: Die massierte Macht der Groß-Bezirksverbände Steglitz-Zehlendorf (Linder), Charlottenburg-Wilmersdorf (Lindemann) und Tempelhof-Schöneberg (Krestel) soll die 350 Parteitagsdelegierten so dominieren, dass der Wille des Vorstands zur Liste wird.

Unbestritten ist nur Lindners Anspruch auf den Führungsplatz. Der ehemalige Vorsitzende der Abgeordnetenhausfraktion hat im Bundestag seit 2009 Karriere gemacht. Er ist stellvertretender Fraktionschef, wirtschaftspolitischer Sprecher und als Ordnungspolitiker ein gern gebuchter Kampfredner in Talkshows. Auch Lindemann hat einen guten Ruf in der Bundespolitik. Doch schon beim zweiten Listenplatz ist Schluss mit dem neuen liberalen Wir-halten-zusammen-Gefühl: Auch Mieke Senftleben sähe sich gern im Bundestag. Die bewährte Bildungspolitikerin sagt von sich, sie könne auch Familienpolitik, was im Bund von großer Bedeutung sei. Senftleben, vor kurzem als Beisitzerin in den Bundesvorstand gewählt, findet außerdem, dass eine reine Männerliste – jedenfalls in dem Bereich, in dem bei viel Optimismus Chancen auf Mandate gegeben sind – nicht gut aussehe. Nur zur Erinnerung: Für drei Mandate im Bundestag waren 2009 immerhin 11,5 Prozent der abgegebenen Stimmen notwendig.

Kampfkandidaturen werden in der FDP indes als Ausdruck einer lebendigen Streitkultur verstanden. So hat auch Holger Krestel einen Gegenkandidaten. Er heißt Hartmut Bade, betreibt eine Schule für Nachhilfeunterricht und kandidiert direkt im Wahlkreis Mitte. Dort heißt es, Mitte sei immerhin der drittstärkste Bezirksverband, also habe dessen Kandidat einen Anspruch auf einen entsprechenden Rang auf der Liste. Innerliberale Rangeleien wie diese bringen den Landesverband vor dem Wahlkampf auf Touren. Doch immerhin redet man nicht, wie früher oft, mit Spott und Häme übereinander. Zu groß scheint die Sorge, die Wahrnehmungsschwelle des breiteren Publikums nur durch Streit zu überschreiten.

Beim von Senftleben angesprochenen Frauenthema teilen nicht alle deren Meinung. Realistischerweise erringe die Berliner FDP vielleicht zwei Bundestags- und ein Europa-Mandat, sagen liberale Strategen. Das EU-Mandat hält Alexandra Thein – also liege die Frauen-Quote immerhin bei 33 Prozent und damit höher als in der Mitgliedschaft.

Die Rekonvaleszenz des Landesverbandes wollen auch die nicht riskieren, die nach der Niederlage von 2011 auf Reformen setzten und keine erreicht haben. Etwa mehr Programmdebatte via Internet war damals angeregt worden. Vorschläge wie diese führten in Berlin gelegentlich zu lautem Streit und Chaos-Parteitagen, und Fundamentalreformen brauchen eine Zwei-Drittel-Mehrheit auf dem Parteitag. Der Vorstand hat nichts dergleichen verfolgt. Lindner kennt seine Parteifreunde. Werner van Bebber

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