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Berlin: Die Revolution hat sie reich gemacht

Sie schufen „Les Misérables“ und wollen, dass nach 18 Jahren alles so aussieht wie beim ersten Mal – zu Besuch bei den Produzenten in London

NÄCHSTE WOCHE STARTET DAS MUSICAL „LES MISÉRABLES“ IM THEATER DES WESTENS

Die Elenden waren heute wieder gut in Form. Sie sangen ihre weltbekannten Soli, ihre rührenden Duette oder ihr schmetterndes Revolutionslied auf den Barrikaden von Paris mit der gewohnten Verve. Gut drei Stunden hat die Show gedauert, inklusive Pause, die Zuschauer klatschen ausdauernd, sind angetan, einige wischen sich ihre letzten Tränen aus dem Gesicht – eine weitere Aufführung des Musicals „Les Misérables“ im Palace-Theater am Londoner Westend ist zu Ende.

Seit knapp 18 Jahren läuft das Stück hier, Londoner wie Touristen kommen noch immer in Scharen, auch nach der 7488. Vorstellung. Ein Erfolg, den selbst die nicht erwartet hatten, die das Stück einst schufen. Heute sind sie mit dem Musical reich geworden, ihre Firma gehört zu den größten Musical-Produktionsstätten der Welt und ihr Büro residiert nicht weit vom Palace-Theater. Die Adresse der Firma von „Les Misérables“-Produzent Cameron Mackintosh ist der feine Bedford Square, das Haus eines in einer langen Reihe schmucker Fassaden. Doch die Beschaulichkeit trügt. Gleich hinter der Eingangstür nehmen zwei Angestellte nicht nur alle Anrufe, Briefe und Pakete entgegen, sondern auch die Besucher in Empfang, während zeitgleich die Angestellten aus dem Büro heraus- oder wieder hineinhetzen. Wer hier hereinkommt, meint, das Musical-Business kenne keine Krisen.

So ähnlich hört es sich auch an, wenn Matt Dalco, Geschäftsführer der „Les Misérables“-Produktionsfirma, einer seiner Lieblingsbeschäftigungen nachkommt, nämlich die Erfolgsgeschichte des Musiktheater-Rührstücks nach der Romanvorlage von Victor Hugo (deutscher Titel „Die Elenden“) zu erzählen. Über den ganzen Globus verteilt liegen die Stätten, an denen das Stück schon gespielt wurde. In London natürlich, New York, Sydney, Wien, Tokio, São Paulo, und in Deutschland neben Duisburg auch in Saarbrücken, Chemnitz und Detmold. Nun kommt das Stück ans Theater des Westens. Warum hat das so lange gedauert?

Matt Dalco schiebt seine Lesebrille auf die Nasenwurzel: „Wir wollten das Stück schon vor mehr als zehn Jahren in Berlin spielen.“ Damals, im Sommer 1990, schaute er sich zusammen mit dem Produzenten und dem Regisseur John Caird in Berlin Theater an, die als Spielstätten in Frage kamen, unter anderem den Friedrichstadtpalast und das Metropol-Theater. Aus den Plänen wurde aber nichts. „Das Metropol hatte damals über 600 festangestellte Mitarbeiter“, erinnert sich Dalco, „das wäre wirtschaftlich überhaupt nicht zu machen gewesen.“ Und ein neues Theater wollte der deutsche Partner, die Firma Stella, nur in Städten bauen, in denen es keine große Konkurrenz gab. So fiel die Wahl für den deutschen „Les-Misérables“-Standort schließlich auf die Ruhrgebietsstadt Duisburg. Gut zwei Jahre lief das Stück dort, „und mit 1,2 Millionen Besuchern gar nicht schlecht“, sagt Dalco. Die Pleite von Stella bereitete dem Theater in Duisburg jedoch den Garaus – und „Les Misérables“ verschwand in Deutschland für mehrere Jahre von der Bühne.

Auch die Stage-Holding, die sich aus der Konkursmasse von Stella bediente, hatte für das Stück keine Bühne frei. Bis der Musical-Konzern des Niederländers Joop van den Ende vom Berliner Senat den Zuschlag für das Theater des Westens bekam. Seit Monaten wird das Traditions-Theater an der Kantstraße umgebaut und renoviert. Da die Stage Holding aber derzeit keine Uraufführung in petto hat, die nach Berlin passt, und die eigene Produktion des Scorpions-Musicals „Wind of Change“ frühestens 2005 uraufgeführt werden soll, purzelten Maik Klokow, dem Deutschland-Chef der Stage-Holding, bei seiner Suche nach einem Stück für Berlin als erstes die Rechte an „Les Misérables“ aus dem eigenen Portfolio.

Die Bühne an der Kantstraße ist inzwischen eine exakte Kopie des Originals vom Londoner Westend. Schwarz sind alle Wände, die Drehbühne und die Kulissen. Auch wenn die Inszenierung dank geschickter Lichteffekte nicht danach aussieht – sie kommt mit sehr wenigen Kulissen aus. Überhaupt soll alles so sein wie das Original. Nicht nur Produzent und Regisseur in London wünschen sich das so, sondern auch Claude Michel Schönberg, von dem das Buch und die Musik stammt. „Besser keine Experimente“, sagt er und verlangt unbedingte Werktreue von allen Inszenierungen weltweit, also auch von der Berliner Version. Selbst die Kostüme sind eine Eins-zu-eins- Kopie, einige stammen sogar aus dem Fundus des Londoner Originals. Heute beginnen an der Kantstraße die so genannten Voraufführungen, die Berliner Premiere ist für den 26. September geplant – sie ist ausverkauft.

Rund 50000 Eintrittskarten sind bereits verkauft. Karten gibt es an der Kasse im Theater des Westens oder telefonisch: (01805) 4444.

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