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Berlin: Die Schau-Plätze der WM

Fußball gibt es überall zu sehen – ob Biergarten oder Fanfest Aber nicht immer stimmt das Drumherum. „Public Viewing“ im Test

Die WM ist für alle da. Und jeder kann entscheiden, in welcher Dosis er sie sich verabreicht. Die volle Packung im Stadion. Oder das stille Genießen auf dem heimischen Balkon. Zwischen diesen Extremen gibt es die unterschiedlichsten Formen des öffentlichen Fernsehguckens mit Ausschank und Fankulisse. Unser Autor hat einige wichtige WM-TV- Quartiere begutachtet.

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Fanmeile . Mit vier großen Videowänden ist die Fanmeile der wichtigste WM-Ort außerhalb der Stadien. Während das 15-Uhr-Spiel gut zu verfolgen ist, sieht es beim 18-Uhr-Spiel schlecht aus, weil die Sonne direkt auf die Bildschirme fällt. Die Fanmeile ist der richtige Ort für eingefleischte Fans, die nur mangels Karten nicht ins Stadion gefunden haben. Es wird viel gejubelt, gegrölt und Fahne geschwenkt. Fan-Outfit ist vorteilhaft.

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Sony-Ce nter. Hier läuft das atmosphärische Kontrastprogramm zur Fanmeile. Man fühlt sich wie in einer VIP-Lounge. Das Publikum sitzt, wird bedient und genießt den unverstellten Blick auf eine der sechs Großbildwände. Das Sonnensegel dimmt den Lichteinfall. Eintritt muss man nicht zahlen, aber zwei Stunden vor dem Spiel müssen Tickets abgeholt werden. Rund 3300 Menschen passen rein, rund ein Drittel sitzt auf einer Tribüne. Große Spiele sind schnell ausgebucht.

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Adidas-Arena am Reichstag. Der Fan ist hier zahlender Gast, drei Euro pro Spiel, darf dafür in der Pause selbst kicken, Video spielen oder shoppen gehen. McDonald’s und Coca Cola kümmern sich exklusiv um das leibliche Wohl. Fast alle Deutschland-Spiele und das Endspiel sind ausverkauft. Tickets werden bei Ebay schon für ein Vielfaches des Kaufpreises angeboten. Im Stadion schaut man auf einen leeren Kunstrasen und zwei Videowände an den Stirnseiten des Ovals. Das Ganze ist eben doch nur aufwändige Kulisse.

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Bundespressestrand. Auf der anderen Spreeseite, gegenüber der Bundestags-Kita, liegt der große, opulent gestaltete Sandstrand. Hier lässt sich in Himmelbetten herumlümmeln, während anderswo vernehmbar die Tore fallen. Eine herrlich sorglose Südseearena mit Planschbecken zum Füßebaumeln. Nur leider liefert der Großbildschirm ziemlich unscharfe Bilder – die Sonne blendet. Raucher sind hier sehr willkommen. Es gibt sogar einen Zigarettenautomaten.

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Kulturforum. Der Ort wirkt ein wenig steril und ausgetrocknet. Reihenweise leere Liegestühle haben den Veranstalter bewogen, den Eintritt für das 15-Uhr-Spiel von 5 auf 3 Euro zu senken.

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Tentstation. Eine der rumpligsten und witzigsten Public-Viewing-Locations der Stadt ist im alten Poststadion zu finden. Zur leicht gewellten, aber gut beschatteten Leinwand muss man sich durchfragen. Der Weg führt über die langsam zerfallende Tribüne vorbei am dahinsiechenden Schwimmbecken. Das Platzangebot ist sehr begrenzt, also früh kommen.

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Tränenpalast. Draußen stehen spiegelnde Fernseher, eine Augenqual. Drinnen ist echtes Fußballkino. Man sitzt im Dunkeln und konzentriert sich auf die Spielanalyse. Nichts für sinnenfrohe Fans.

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Fritznielsen. An der S-Bahnstation Halensee haben die Betreiber eine Art Nachbarschaftstreff im Stil einer New Yorker Ghettosiedlung geschaffen. Kleine Kinder kicken, dann fährt mal ein Auto über den Platz. Die Leinwand ist in einer Garage eingezwängt und liefert ein mattes Bild. Dafür ist die Nahrung bezahlbar: Zum Preis von vier Euro gibt’s Bier und Bratwurst.

Waldbühne. Fußballgucken, wo andere sonst nur Konzerte hören. Die Kulisse ist traumhaft, allerdings der Eintritt recht teuer: um die 20 Euro. Dazu gibt es zwar musikalische Dreingaben, doch die sind mitunter recht eigenwillig: So tritt vor dem Deutschlad–Ekuador-Spiel die Formation „Geile Götter“ auf.

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Biergarten Loretta. An der Lietzenburger Straße ist nur klassisches Fernsehen möglich. Eine Monitorwand, wie einst beim Großen Preis mit Wim Thoelke, macht die Sache auch nicht besser, zumal zwei von neun Monitoren beim Testbesuch schwarz blieben.

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Schleusenkrug. Die Leinwand ist ins überdachte Souterrain verbannt, dadurch bleibt der Biergarten im Tiergartens weitgehend fußballfrei. Für Mal-so- nebenbei-Gucker eine gute Adresse. Vor dem Groß-TV sitzt man zwar recht beengt. Dafür dringt das Geraune nach brenzligen Strafraumaktionen bis ins Mark.

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Café am Neuen See. Mitten im Tiergarten eine Alternative zur Fanmeile für das etwas gesetztere Publikum. Die günstig positionierte Leinwand liefert ausreichende Bildqualität. Richtige Fußballstimmung kommt in dieser romantischen Umgebung allerdings nicht auf.

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Kulturbrauerei. Ein wichtiger Übertragungsort mit zwei Großbildschirmen und einer Leinwand. Laute Fans findet man hier selten. Es geht den plaudernden Zuschauern mehr um die WM als Kulturevent, das man auf keinen Fall verpassen sollte, auch wenn man sich sonst nicht für Fußball interessiert.

Mehr zum Thema unter

www.meinberlin.de/publicviewing

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