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Berlin: Die Schlacht um den 1. Mai hat begonnen

Früher hieß es auf Plakaten der linksradikalen Szene: 1. Mai, 13 Uhr Oranienplatz.

Früher hieß es auf Plakaten der linksradikalen Szene: 1. Mai, 13 Uhr Oranienplatz. Erst dann ertönte das Startsignal für die alljährlich sich wiederholenden Straßenschlachten in Kreuzberg. In diesem Jahr hat die Schlacht um den 1. Mai bereits begonnen. Obwohl sich die rot-rote Koalition zum Ziel gesetzt hat, erstmals seit Jahren einen friedlichen 1. Mai zu erreichen, streiten sich Polizeiführung, der Innensenator, ein Bürgerbündnis und die Autonomen um die intellektuelle Vorherrschaft über dieses Datum. Die Extremismusexperten sind schon seit Wochen mit den Vorbereitungen beschäftigt. Und das Bürgerbündnis will heute sein Konzept vorstellen.

Bereits Anfang Januar formulierte der amtierende Polizeipräsident Gerd Neubeck seine Kampfansage an die Linksradikalen. Das Verbot der "revolutionären 1. Mai-Demonstration" im vergangenen Jahr sei ein Einstieg gewesen. In diesem Jahr gedenke er, diese Strategie fortzusetzen. "Wir haben die Verbotsgründe in der Hand", sagte Neubeck im Tagesspiegel-Interview. "Das Gesetz sagt, eine solche Demonstration, von der Gewalt ausgeht, kann bzw. muss verboten werden. Das haben wir gemacht. Wieso sollten wir es also dieses Jahr nicht wieder machen?"

Eine Antwort erhielt Neubeck prompt. Allerdings nicht von den Autonomen. Sein oberster Dienstherr, Innensenator Ehrhart Körting (SPD), gab ihm die Linie vor. Er beabsichtige gar nicht, die Demonstration zu verbieten, tat Körting wenige Tage später kund. Das Demonstrationsrecht sei ein zentrales Grundrecht in der Demokratie. Zudem seien seine Vorgänger "mit Demonstrationsverboten mehrmals schlecht gefahren". Indes brauchten die Autonomen und andere Teilnehmer der traditionellen 1. Mai-Demonstration nicht zu denken, dies sei ein Freibrief von höchster Stelle. Körting will die Demonstration insbesondere deshalb nicht verbieten, um so mehr Kontrolle über die Geschehnisse in Kreuzberg zu haben. Er halte es "für erfolgversprechender", sagte Körting, genau festzulegen, was Demonstranten dürften und was nicht. Körting hofft, mit strikten Auflagen Ausschreitungen zu verhindern.

Ein ganz anderes Konzept zur Verhinderung von Straßenschlachten hat das Bürgerbündnis im Sinn. Seit Monaten bereiten 50 Engagierte um den FU-Politikprofessor Peter Grottian ein großes, friedliches Spektakel in Kreuzberg vor. "Denk Mai Neu! Personenbündnis für einen politischen und polizeifreien 1. Mai 2002" - lautet das Motto, unter dem sich Bürgerrechtsorganisationen, Gewerkschafter und andere linke Gruppen zusammengeschlossen haben, um am 1. Mai 50. 000 Menschen zu einem politischen Open-Air-Festival nach Kreuzberg zu mobilisieren. In Kooperation mit der Antifaschistischen Aktion Berlin (AAB), die in den vergangenen Jahren die 1. Mai-Demonstration mitorganisiert hatte, ist eine Fest- und Veranstaltungsmeile vom Lausitzer Platz bis zum Mariannenplatz, vom Kottbusser Tor bis zum Oranienplatz geplant. Die umstrittene Demonstration als "integraler Bestandteil". Verhandlungen mit dem Innensenator haben bereits stattgefunden. Denn ihre Forderung, Gewalt zu verhindern, stellt die Initiative an die Polizei - statt an die Autonomen.

Das bürgerliche Engagement für Kreuzberg danken indes nicht alle Linksradikalen. "Autonome lehnen Befriedungsprojekt ab", ist ein Diskussionspapier "Kommunistischer und Autonomer Gruppen" überschrieben. Die Autoren bezweifeln, "dass solch ein Personenbündnis, das keinen reellen sozialen Bezug zur Stadtteilbevölkerung mit ihren Problemen wie Massenarbeitslosigkeit und Diskriminierung hat, sich politisch verankern mag". Doch obwohl unterstellt wird, ein solches Bündnis könne "soziale Aufstände unterdrücken" - "gegen eine polizeifreie Zone am 1. Mai in Kreuzberg können wir auch nichts haben". Ähnlich eine Stellungnahme im Szene-Magazin "interim. Das Bündnis wird dort als "reformistisch" tituliert. Aber der Ansatz, den 1. Mai "politisch zurückerobern zu wollen" teilen die Autonomen. Eine "zeitweilige Kooperation" zur Durchsetzung der linksradikalen Demonstration sei deshalb anstrebenswert. Und in Richtung Polizei heißt es: Sollte diese erst gar nicht in Kreuzberg erscheinen, "könnten wir sogar darauf verzichten, ihnen das Leben dort schwer zu machen".

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