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DIE SCHÖNSTEN SEITEN DES NORDENSAusflugstipps für Mecklenburg-Vorpommern. Heute: Die Wismarer Bucht (1): Segeln wie im Mittelalter

Auf einer nachgebauten Hanse-Kogge können Touristen von Wismar aus in See stechen

Der Nordwesten Mecklenburgs lebt von seinen Gegensätzen. Während Schwerin mit einem märchenhaften Schloss und vielen klassizistischen Bauten aufwartet, bietet Wismar einen der weltweit schönsten mittelalterlichen Stadtkerne. Die nahe Ostseeküste wird schon seit fast 200 Jahren als Badeort geschätzt. In der ersten Folge unserer Ausflugsserie stellen wir ein einzigartiges Schiff zur Entdeckung der Region vor.

Wismar - „Setzt Segel“, brüllt der Kapitän aus Leibeskräften. „Alle Mann an die Seile!“ Im Handumdrehen rennt die Mannschaft wild durcheinander. Selbst der Koch stürzt eilig aus seiner Kombüse. Die Sitten an Bord sind rau, doch die Besatzung befindet sich auch nicht auf einem Luxusliner, sondern auf einem mittelalterlich anmutenden Schiff. Wie vor gut 600 Jahren fliegen laute Kommandos hin und her, mitunter knarren die Balken – und einige Gäste erleben von Wismar aus eine einmalige Ausfahrt auf der Ostsee.

Die Eindrücke auf der „Poeler Kogge“, dem Nachbau eines auf dem Ostseegrund gefundenen Wracks aus dem 14. Jahrhundert, lösen gerade bei Landratten Begeisterung aus. „Das ist ja fast so aufregend wie eine Tour durch die Alpen“, sagt die aus Bern an die Küste gereiste Christine Nydegger. Derweil ziehen die Männer mit kräftigen Armzügen die ganze Segelpracht auf. Die Touristen lassen sich nicht lange bitten und packen mit zu. 276 Quadratmeter weißes Tuch fangen kurze Zeit später den Wind und treiben das Schiff sanft über die Wellen.

Nun hat die Besatzung Zeit für Geschichten über dieses ungewöhnliche Monstrum. „Der Fund des Wracks war schon eine Sensation“, sagt der Chef des für die Kogge gegründeten Fördervereins, Joachim Müller. „Wie so oft spielte der Zufall eine entscheidende Rolle.“ Heftige Herbststürme hatten 1997 und 1998 vor dem Timmendorfer Strand auf der Insel Poel uralt aussehende Holzbalken an den Strand gespült. Die Fischer packten sie erst einmal zur Seite. Als aber der damals die Ostseeküste nach Wracks absuchende Unterwasserarchäologe Thomas Förster davon Wind bekam, machte er sich sofort auf den Weg und setzte vor Timmendorf Taucher ein. „Wenig später fanden wir tatsächlich in nur 150 Meter Entfernung vom Ufer das Wrack einer alten Hanse-Kogge“, erinnert sich der Wissenschaftler. „Der Ostseesand hatte es in zweieinhalb Meter Tiefe sofort nach dem Sinken bedeckt und so für die Nachwelt konserviert.“ Untersuchungen des Holzes ließen keinen Zweifel: Das 31,5 Meter lange und 8,5 Meter breite Boot stammt aus dem Jahre 1369 und wurde auf einer Werft im Baltikum gebaut. Auf der Ostsee diente es wohl dem Transport wertvoller Baumstämme.

2001 wurde mit dem Nachbau begonnen, sechs Jahre hat er gedauert. 25 000 handgeschmiedete Nägel, das Holz von 140 Kiefern und eine 55 Meter hohe Tanne aus dem Südharz für den Segelmast wurden verarbeitet. „Die meisten Teile sind dem Mittelalter nachempfunden“, sagt Vereinschef Müller.

Mit der nachgebauten Kogge bietet man nun Touristen Ostseetouren der besonderen Art an. „Es gibt Erlebnisreisen, Segeltörns und Besichtigungen“, erzählt Müller. Für Tagesfahrten mit 40 Gästen sei ausreichend Platz, für Mehrtagesfahrten würden bis zu 16 Übernachtungen angeboten. Und nicht nur das historische Ambiente, auch die Erlebnisse an Bord ließen alle Gäste in kurzer Zeit zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammenwachsen.

Allein auf die alten Künste wollen sich die modernen Seefahrer aber nicht verlassen. „Wir haben auch Satellitenempfang, einen Dieselmotor und Bugstrahler an Bord“, sagt Müller. Sonst wären die aufregenden Törns heute gar nicht möglich.

Weitere Infos: Poeler Kogge, Tel.: (03841) 22 72 49, www.poeler-kogge.de

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