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Berlin: Die Scorpions und die Philharmoniker jammen für die Expo

Das Haus hat Symbolkraft: Hier in der Nalepastraße haben die besten Symphonieorchester der DDR ihre Aufnahmen gemacht. Nach der Wende aber gingen bald die Lichter aus im Ostdeutschen Rundfunk.

Das Haus hat Symbolkraft: Hier in der Nalepastraße haben die besten Symphonieorchester der DDR ihre Aufnahmen gemacht. Nach der Wende aber gingen bald die Lichter aus im Ostdeutschen Rundfunk. Heute sind die Fenster blind vor Staub, Gardinen von undefinierbarer Farbe hängen traurig herab, die Teppiche sind fleckig, ebenso wie die übrig gebliebenen Sessel. Das einst so stolze Hochkulturhaus erinnert verdächtig an eine jener gammeligen Eckkneipen, wo sich zwielichtige Gestalten zur Hardrock-Party treffen. Nur eben viel größer.

Ein paar Nummern größer als gewöhnlich stellen auch die Scorpions ihr nächstes Album vor. "Moment of Glory" wird es heißen, vom Cover lächelt ein schmuckbehängter Tyrannosaurus - und neben dem Namenszug der Hannoveraner Band steht in roten Buchstaben: Berliner Philharmoniker. Gerhard Schröders Lieblingsband, die in den Siebzigern zu den Königen der Hardrockszene aufstieg und mit ihrer Ballade "Wind of Change" den Soundtrack zur Wiederveinigung lieferte, hat sich mit Deutschlands feinstem Orchester zusammengetan, um pünktlich zur Eröffnung der Weltausstellung ein gemeinsames Album samt Expo-Hymne herauszubringen. Und zwar auf Wunsch der Philharmoniker! "Wir hätten uns nie getraut, in Berlin aufzutauchen und zu sagen: Hallo, wir sind die Scorpions aus Hannover, wollt ihr nicht eine CD mit uns machen?", erzählt Band-Sänger Klaus Meine. Aber als die "Klassiker" selber auf sie zugekamen, hätten nicht lange gezögert.

Ein erstes Experiment schlug 1995 allerdings fehl, weil beide Seiten sich weder mit den Arrangements noch dem Klangergebnis anfreunden konnten. Im vergangenen Jahr seien sie dann auf Christian Kolonovits gestoßen, erzählt Meine - und der hätte ihnen genau den Sound kreiert, der ihnen vorschwebte. Nur zwei neue Songs wird das Album neben der Expo-Hymne enthalten, der Rest sind Bearbeitungen alter Scorpions-Hits. "Wir haben nicht nur Balladen ausgesucht, sondern auch richtig rockige Sachen", erklärt Gitarrist Matthias Japs. "Und wir waren fasziniert, mit welcher Power die Philharmoniker ihren Part gespielt haben."

Die Rocker selber hatten ihre Tonspuren zuvor bereits in Österreich eingespielt, unterlegt mit einem computergenerierten Orchestersound. Der wird im Studio nun gegen das eingetauscht, was die Philharmoniker am Freitag in der Nalepastraße aufgenommen haben. Hoffentlich lassen die Toningenieure dann ein bisschen mehr Orchesterklang zu als auf der bereits fertigen Aufnahme der Expo-Hymne, auf der - abgesehen von einer kurzen Introduktion - die Edelmusiker aus Berlin lediglich als leises Zirpen im Hintergrund zu hören sind.

Dabei haben die Scorpions überhaupt nichts gegen die Klassik. Im Gegenteil. Den Begriff E-Musik, der normalerweise für die "ernste" Klassik steht, übersetzt Matthias Japs auf seine eigene Art: "Für mich heißt E-Musik Entertainment-Musik. Denn auch die klassischen Komponisten haben schließlich zur Unterhaltung ihres Publikums geschrieben." Und dann erzählen die drei Rocker mit echter Begeisterung von ihrem Besuch in der Philharmonie, als Claudio Abbado Gustav Mahlers 9. Symphonie dirigierte. "Es ist schon toll, was für eine Kraft, was für eine Dramatik in dieser Musik steckt." Und wer weiß, vielleicht nehmen sich die Scorpions demnächst auch mal etwas von Mozart oder Puccini vor. "Als Teil zwei unseres Projekts mit den Philharmonikern!", ruft Band-Gründer Rudolf Schenker lachend.

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