zum Hauptinhalt

Berlin: Die Spaßguerilla hatte Glück mit dem Wetter - mit Obst gegen die geliebten Erzfeinde

Pfliiiitsch! Gerade hatte er den Mund zum Kriegsschrei geöffnet.

Pfliiiitsch! Gerade hatte er den Mund zum Kriegsschrei geöffnet. Die Ehre seines Bezirkes hatte er verteidigen wollen, lautstark. Jetzt kleben dem jungen Mann mit der Army-Hose und dem blonden Spitzbart die Überreste einer faulen Honig-Melone im Gesicht. Braun-gelbes Fruchtfleisch. Kerne am Kinn. Würgen in der Kehle, der Gestank ist überwältigend. Über 400 meist jugendliche Lieblingsfeinde standen sich gestern wieder einmal an der Oberbaumbrücke gegenüber. Zur Obstschlacht hatten die Spaßguerilla-Parteien Friedrichshainer Amorphe Zentralisten (FAZ) und Kreuzberger Demokratische Patrioten / Realistisches Zentrum (KPD / RZ) aufgerufen; Parteien, die als politisches Programm schon mal das "Nachtflugverbot für Pollen" proklamierten. Sie wollen gegen die Bezirksfusion zwischen Kreuzberg und Friedrichshain protestieren. Warum? "Ganz einfach, die Kreuzberger sind scheiße, und wir sind es nicht", erklärt der noch nicht volljährige Punk Andi schlicht die Lage.

Mehlbomben zerplatzen, faule Eier, Kartoffeln, Gurken, und was die Biomülltonne sonst noch hergibt, fliegen tonnenweise durch die Luft. Schlachtrufe hallen vom Schlesischen Tor herüber: "Keiner ist gemeiner als der Friedrichshainer!" "Ich bin seit fünf Jahren dabei, diesmal schaffen wir sie bestimmt", macht ein Friedrichshainer sich und den Umstehenden Mut. Den Profi erkennt man sofort: an der Motorradbrille, dem Mülltonnendeckel-Schutzschild, den Bauarbeiterhandschuhen. "Schon mal mit der bloßen Hand in faule Pfirsiche gegriffen? Da hast du Wochen was von...", warnt er die Anfänger.

Nach zwanzig Minuten Schlachtgetümmel ist das mit drei Lkw nebst Melonenwerfer und Wasserspritze überlegen motorisierte Friedrichshain eindeutig auf der Gewinnerstraße und schon fast am Schlesischen Tor angelangt. Die Polizei steht abwartend daneben. Besonders gelungene Würfe werden mit einem Lächeln quittiert. Beim Kontrollieren der mitgebrachten Rucksackinhalte verzieht der eine oder andere Mann in Grün jedoch auch angeekelt das Gesicht. "Bisher haben sich diese Veranstaltungen immer in einem gewissen Rahmen gehalten", erklärt Polizeioberrat Thomas Böttcher die entspannte Haltung. Nicht so viel Verständnis zeigen allerdings Passanten. "Hoffentlich geht die schöne Brücke nicht kaputt", sorgt sich ein Ehepaar aus Flensburg. Die Friedrichshainer Rentnerin Else Hoffmann wundert sich: "Warum haben die nicht bis zum Winter gewartet? Eine Schneeballschlacht ist doch viel schöner als diese Obstpampe!"

Ulrike Groppe

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false