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Berlin: Die SPD-Jugend will schrittweise ins Zentrum der Macht rücken

"Erneuerung jetzt!" Mit diesem Aufruf, der sich gegen die Neuauflage der Großen Koalition wendet, machten junge Leute in der SPD vor einer Woche öffentlich auf sich aufmerksam.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

"Erneuerung jetzt!" Mit diesem Aufruf, der sich gegen die Neuauflage der Großen Koalition wendet, machten junge Leute in der SPD vor einer Woche öffentlich auf sich aufmerksam. Eine Gruppe, die sich locker um einige SPD-Kreisvorsitzende, Abgeordnete und Vorstandsmitglieder schart, und die dabei ist, ihre Positionen in der Partei schrittweise auszubauen. Als "Initiative 30 unter 40" trat sie erstmals im August 1997 - vor der Kandidatennominierung zur Bundestagswahl - in Erscheinung. "Clevere, junge Köpfe nach vorn", lautete die Devise.

Den über 50-Jährigen in der SPD-Partei- und Fraktionsspitze, der "Dominanzgeneration", wurde vorgeworfen, dass ihr Bekenntnis zur jungen Generation nur ein Lippenbekenntnis sei. Zwar gelang es den jungen Halbwilden nicht, Bundestagskandidaten aus ihrem Kreis auf die vorderen Listenplätze zu schieben, aber im Juni 1998 landeten sie einen Überraschungscoup. Vier Nachwuchsleute, Matthias Linnekugel (damals Juso-Vorsitzender), Kerstin Raschke, Swen Schulz (Spandauer SPD-Kreischef) und Iris Spranger wurden als Beisitzer in den SPD-Vorstand gewählt.

Bei den Parteiwahlen im Juni 2000 will man endlich ins Herz der innerparteilichen Macht vorrücken: in den Geschäftsführenden Landesvorstand. In der neuen SPD-Fraktion wird der Generationswechsel allerdings durch das schlechte Wahlergebnis behindert. Viele junge Kandidaten waren auf den Wahllisten zu weit hinten platziert und bekamen kein Parlamentsmandat. Die personelle Erneuerung in der Berliner SPD ist also noch nicht weit gediehen. Aber sie steht unaufschiebbar auf der Tagesordnung. Aus verschiedenen Anknüpfungspunkten hat sich ein Netzwerk junger Parteimitglieder entwickelt, das in wechselnder Besetzung diverse "Projekte" bearbeitet.

Wie die "U 40"-Gruppe in der CDU springt die SPD-Initiative in eine Lücke zwischen der Jugend- und der normalen Parteiarbeit. Ein Angebot für die 30- bis 40-Jährigen, nicht in Resignation zu verfallen, sondern sich politisch einzubringen. Zum Beispiel wurde das SPD-"Modernisierungsprogramm", das im April dieses Jahres nach einem heftigen innerparteilichen Streit aus der Taufe gehoben wurde, von den "Wir unter 40"-Leuten maßgeblich beeinflusst. "Wir wollen jene Rituale aufzubrechen, in denen die 50-Jährigen gefangen sind", sagt der SPD-Abgeordnete und stellvertretende Fraktionsvorsitzende Christian Gaebler (34), der zu den Aktivisten des Parteinachwuchses gehört. Inhaltliche Impulse wolle man geben, die Rechts-Links-Konflikte abbauen. Der Berliner SPD helfen, ein neues politisches Leitbild zu finden.

Inzwischen wurde ein Koordinierungs-Gremium gegründet, in dem sich die jüngeren Abgeordneten und Parteifunktionäre absprechen. Sechs Kreisvorsitzende gehören dazu: Swen Schulz (Spandau), Andreas Pape (Tiergarten), Gaebler (Wilmersdorf), Andreas Matthae (Kreuzberg), Frank Lewitz (Friedrichshain) und Andreas Geisel (Lichtenberg). Außerdem die vier jungen Vorstandsmitglieder, der Juso-Chef Hendrik Weipert und andere. "Als innerparteilicher Machtfaktor werden wir allmählich ernst genommen", sagt Gaebler.

Auch vor dem SPD-Landesausschuss am 25. Oktober, der über die Aufnahme von Koalitionsgesprächen mit der CDU entscheiden oder - was wahrscheinlicher ist - einen Sonder-Parteitag einberufen wird, will man sich treffen und eine gemeinsame Strategie beraten. Die Jungen in der SPD sind - anders als die Jungen in der CDU - mehrheitlich gegen eine Fortsetzung der Großen Koalition. Und somit auf Gegenkurs zur Parteiführung, die gegenüber den jungen Genossen noch zwischen Umarmungsversuchen, Ausgrenzung und vorsichtigem Wohlwollen schwankt.

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