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George Clooney drehte im vergangenen Sommer in Berlin, zum Beispiel am Zeughaus, und Babelsberg seinen Film "The Monuments Men", der am Sonnabend auf der Berlinale läuft.

© dpa

Die Stadt im Berlinale-Film: Hauptrolle für Berlin

Diese Stadt ist ein Chamäleon: Bei Bedarf wird sie zu London, Dresden - oder Paris. Aber am liebsten spielt sie sich selbst – auch bei der Berlinale.

Den dicken Reichsmarschall Hermann Göring drängt es ins Museum. Sein Wagen rollt einen breiten Boulevard entlang, vorbei an einer Fassade von barocker Pracht, hält vor einem Säulenportal – Eingang zu seiner Schatzkammer der geraubten Kunst. Ort der Handlung: Paris, Galerie nationale du Jeu de Paume, am Place de la Concorde, um 1941. Drehort: Berlin, Zeughaus und Neue Wache, Unter den Linden, März 2013. Drei Filmjahre später werden Männer in anderen Uniformen durchs Säulenportal treten, auch US-Offizier James Granger, angelehnt an den realen Lieutenant James Rorimer – gespielt von Matt Damon, Regie George Clooney.

Berlin ist ein Chamäleon. Die Stadt durfte schon viele Städte mimen, Dresden, London, Moskau – und in „Monuments Men“ mal wieder Paris. Die Regel ist das nicht, da gilt eher: Berlin bleibt doch Berlin, gerade im Programm der Filmfestspiele, gerade im Berlinale-Film. Ja, manchmal hat man den Eindruck, in keiner anderen Stadt hätte dieser oder jener Film entstehen können. Nehmen wir nur den Brasilianer Karim Aïnouz, Regisseur von „Praia do Futuro“ (Wettbewerb). Es sei für ihn wichtig, „dass die Stadt wirklich als Hauptfigur im Film präsent ist“, erklärte er bei den Dreharbeiten, schwärmte von dem einzigartigen Mix im Berliner Alltagsleben: „Man ist in einer großen Stadt, und gleichzeitig fühlst du dich manchmal, als wärst du auf dem Land.“ So suchte er für seine Liebesgeschichte zwischen einem brasilianischen Rettungsschwimmer und einen Touristen aus Berlin offenbar bewusst Orte, die das breite, widersprüchliche Spektrum der Stadt zeigen, vom gläsernen Schick des Potsdamer Platzes bis zur Backsteinpracht der Oberbaumbrücke.

Eine eher anonymisierte, oft kaum als Berlin erahnbare Stadt führt dagegen Edward Berger im Wettbewerbsbeitrag „Jack“ um zwei nicht gerade auf der Sonnenseite des Lebens stehende Brüder vor, aber einige Orte erkennt man doch: Hardenbergplatz, Autobahnparkplatz Dreilinden, U-Bahnhof Siemensdamm.

West-Berlin, so hat man den Eindruck, beginnt ohnehin die Filmemacher wieder stärker zu interessieren, so Maria Speth in ihrem Forum-Film „Töchter“, der einer Mutter auf der Suche nach ihrer von zu Hause weggelaufenen Tochter folgt. Solch eine Suche muss traditionell seit Christiane F. den Bahnhof Zoo streifen, auch die Mutter schaut dort vorbei. Mit Vorliebe aber hält sie sich samt einer besonders anhänglichen Streunerin im Kempinski auf, in der Lobby und besonders ihrem Zimmer, mit Blick aufs Kranzler-Eck.

Max Linz hat seine Kamera für „Ich will mich nicht aufregen“ (Forum), eine satirische Abrechnung mit den Ritualen des Kunstbetriebs, ebenfalls vor allem im alten Westen aufgebaut, in den holzvertäfelten Räumen der Kongresshalle und der Akademie der Künste. „Weg von der Straße“, wird geradezu zum Stilprinzip, wenngleich nicht mit letzter Konsequenz: Auch das Niemeyer-Haus im Hansaviertel und die Straßen ums Kottbusser Tor werden ins Bild gerückt, letztere mit authentischer Demo gegen Mietwucher.

Mitunter gibt es simple Erklärungen für Drehorte, zum Beispiel in „Anderson“ (Panorama-Doku) von Annekatrin Hendel: Prenzlauer Berg war schon durch die Biografie ihrer Titelfigur Sascha Anderson, Dichter und IM, vorgegeben, Mitte und Kreuzkölln kamen dazu. Und die ersten zehn Minuten des sich bald nach Israel verlagernden Films „Anderswo“ (Perspektive Deutsches Kino) von Ester Amrami spielen nicht zufällig in Neukölln. Die Regisseurin lebt dort, Wohnung und Umfeld wurden so zum Drehort.

Das spart Geld, passt aber nicht immer. Tatjana Turanskyj suchte für „Top Girl oder La Déformation Professionelle“ (Forum), den zweiten, einer Escort-Lady gewidmeten Teil ihrer Trilogie über die weibliche Arbeitswelt, einen speziellen Ort: „sehr modern, sehr urban, ein Ort, der das neue Berlin abbildet, die Stadt präsentiert“. Gefunden hat sie ihn in den Räumen des Vereins zur Förderung von Kunst und Kultur am Rosa-Luxemburg-Platz, in denen die Szenen im Sex-Club gedreht wurden. Auch in der Wohnanlage Am Schweizer Garten in Friedrichshain, City-Dorf für Wohlhabende, wurde gedreht. Und Berlins Dauer-Thema Nr. 1, der BER? Fehlanzeige, doch taucht immerhin der alte Flughafen Schönefeld auf, in Heiner Carows „Ikarus“ (Panorama).Ein fast 40 Jahre alter Traum vom Fliegen.

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