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Die Stadt in klein: Berlin zum Anfassen

Berliner Studenten haben ein Modell gebaut, an dem blinde Menschen die Stadt ertasten können. Auch Touristen soll die Miniatur im Maßstab 1:2000 helfen, sich besser zurechtzufinden.

Auf Fingerkuppen spaziert Anja Winter durch den Tiergarten, ertastet Plätze und Gassen und greift nach dem Brandeburger Tor, das auf einem Metallstab montiert ist. Die Museumspädagogin ist fast blind. Mit drei Prozent Sehkraft kann sie nur zwischen Farben und hell und dunkel unterscheiden. Einen gefühlten Eindruck ihrer Stadt bekommt sie zum ersten Mal in der Ausstellung „Berlin begreifbar machen“. Das Tastmodell wurde gestern in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vorgestellt.

Architektur und Stadtgeschichte auf 1,50 mal vier Metern. Das Mini-Berlin wurde innerhalb eines Jahres von 200 Studenten der Technischen Universität Berlin erbaut. Kostenpunkt 50 000 Euro. Dargestellt wird das Areal zwischen Deutscher Oper und Strausberger Platz sowie zwischen Charité und Mehringplatz. Der Maßstab 1:2000 ermöglicht einen Überblick über das Stadtgefüge, aber die Gebäude sind groß genug, um ertastet zu werden. Größere Lupenmodelle bedeutender Gebäude wie dem Brandenburger Tor oder der Siegessäule erleichtern das Erspüren. Nur ein Gebäude erfordert Vorsicht: Der Fernsehturm piekst.

„Es ist ein angenehmes Material, man kann Ecken und Kanten der Gebäude fühlen“, sagte Anja Winter, die seit 13 Jahren in Berlin lebt. Begeistert ist sie vom Mini-Tempodrom, dessen Form sie sich nicht habe vorstellen können. „Nur blöd, dass ich mich nicht orientieren kann, wenn niemand dabei ist“, sagt sie. Doch ohne Führung finden sich auch Sehende im Mini-Berlin kaum zurecht.

Noch ist das Modell stumm. Jedoch sollen in einem weiteren Schritt die Informationen zum Modell auch akustisch und über Gebärdensprache vermittelt werden, sagte Ingeborg Stude, Koordinatorin des Arbeitsbereiches „barrierefreies Bauen“ in der Senatsverwaltung. „Wir wollen damit blinde, sehbehinderte, aber auch sehende Berliner und Touristen ansprechen.“ Dafür wird nun ein fester Ausstellungsraum mit genug Platz gesucht.  Am liebsten würde Ingeborg Stude das Modell im Lichthof der Senatsverwaltung am Köllnischen Park platzieren, wo noch zwei andere Stadtmodelle ausgestellt werden.

Neben dem Tastmodell, das noch bis 4. März in der Senatsverwaltung erfühlt werden kann, stellte die Behörde am Donnerstag auch ihr neues Handbuch „Design for all – Öffentlicher Freiraum für Berlin“ vor. Es soll Lücken in Berlins behindertengerechter Bauplanung schließen – und zwar nach den Maßgaben der UN-Behindertenrechtskonvention. Museumspädagogin Anja Winter hofft, dass auch das Minimodell ihrer Stadt bald vollständig ist. Damit sie es in ihr Blindenführungsprogramm mitaufnehmen kann.

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