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Berlin: Die Tagung des Kulturausschusses - der geplante Termin der Grundsteinlegung ist schon in baurechtlicher Hinsicht nicht zu halten

Wenn der Kulturausschuss des Deutschen Bundestages am heutigen Mittwoch in nichtöffentlicher Sitzung den Tagesordnungspunkt "Holocaust-Denkmal" behandelt, ist das Thema in der öffentlichen Aufmerksamkeit weit nach hinten gerückt. Der einmütige, von 439 Stimmen getragene Bundestagsbeschluss vom 25.

Wenn der Kulturausschuss des Deutschen Bundestages am heutigen Mittwoch in nichtöffentlicher Sitzung den Tagesordnungspunkt "Holocaust-Denkmal" behandelt, ist das Thema in der öffentlichen Aufmerksamkeit weit nach hinten gerückt. Der einmütige, von 439 Stimmen getragene Bundestagsbeschluss vom 25. Juni dieses Jahres, mit dem das Für und Wider beendet wurde, hat die bisherigen Verzögerungen noch nicht aufzulösen vermocht. Während Berlins Kultursenator Peter Radunski unlängst mit der Ankündigung der Grundsteinlegung für den 27. Januar kommenden Jahres überraschte, äußerte sich Senatschef Eberhard Diepgen deutlich vorsichtiger. Der Regierende Bürgermeister nannte das Datum im Tagesspiegel-Interview vom 26. September "sehr ambitioniert".

Immerhin fehlt, wie Diepgen verklausuliert anfügte, bislang eine gültige Bebauungsplanung, und offen ist die Regelung der Finanzierungsfrage. Die einst zwischen den Auslobern des Mahnmals-Wettbewerbs - Bund, Land und privater Förderkreis - vereinbarte paritätische Verteilung der mit 15 Millionen Mark angesetzten Baukosten muss wohl als hinfällig bezeichnet werden, seit sich die Planung auf eine aufwendigere und damit kostenträchtigere Denkmalsanlage zubewegt. Der dritte Auslober, der private Förderkreis mit Lea Rosh an der Spitze, hat mit der Aufbringung eines Drittels auch nur der ursprünglich vereinbarten Kosten Schwierigkeiten. "Wir werden das mit aller Kraft versuchen", äußert sich Lea Rosh zuversichtlich. Jedoch: "Die Gürtel werden überall enger geschnallt."

Der Bundestag wiederum hat sich in seinem Grundsatzbeschluss zu dieser Frage nicht äußern können, solange das konkrete Wie des Denkmals nicht geklärt ist. Dazu muss erst über Größe und Standort des von Kulturstaatsminister Michael Naumann geforderten "Haus des Erinnerns" entschieden werden, das auf dem eigentlichen Grundstück, aber auch auf der anderen Seite einer noch zu schaffenden Straße östlich des Mahnmal-Areals errichtet werden könnte. Der Förderkreis ist ohnehin gegen die Naumann-Idee; allenfalls "ein kleines, bescheidenes Informationszentrum" für weniger als eine Million Mark Baukosten will Lea Rosh zugestehen. Dessen ungeachtet hält sie eine schnelle Errichtung des Denkmals für möglich: "Wenn alle wollen, geht das in zweieinhalb Jahren."

In jedem Fall muss das Berliner Abgeordnetenhaus die planungsrechtlichen Voraussetzungen für das Mahnmal schaffen. Die Senatsverwaltung für Kultur allerdings, im ganzen bisherigen Verfahren als geschäftsführender Auslober tätig, sieht ihre Zuständigkeit für das weitere Procedere mit dem Bundestagsbeschluss vom 25. Juni als beendet an. Sowohl die Berliner Verwaltung als auch die Naumann-Behörde halten sich bedeckt. Der Ball liegt beim Bundestag.

Die als Trägerin des Mahnmals beschlossene Stiftung, der an die Stelle der drei Auslober des bisherigen Verfahrens tritt, muss erst einmal errichtet werden. Dazu bedarf es eines Gesetzes. Zur Zeit sind interfraktionelle Gespräche über einen entsprechenden Gesetzentwurf im Gange. Wie beim Beschluss vom Juni wollen die Fraktionen auch bei der Einbringung des Stiftungsgesetzes einmütig vorgehen. Über das Gesetzgebungsverfahren wird der Bundestagsausschuss heute sprechen. Nach der Errichtung der Stiftung ist der Stiftungsrat zu benennen; ferner soll ein Beirat gebildet werden. Mit den Vertretern weiterer Opfergruppen muss über eine angemessene Erinnerung für diese Gruppen gesprochen werden. Das alles erfordert Zeit, sicherlich bis weit ins Jahr 2000 hinein.

Der von Radunski genannte Termin der Grundsteinlegung ist schon in baurechtlicher Hinsicht nicht zu halten - vorausgesetzt, die "Grundsteinlegung" soll den tatsächlichen Baubeginn bezeichnen und nicht nur eine symbolische Handlung darstellen. Auch Salomon Korn, Mitglied des Präsidiums des Zentralrats der Juden in Deutschland, rechnet nicht mit einem baldigen Baubeginn: "Die Realisierung eines solch großen und wichtigen Projektes braucht ihre Zeit. Zu viele Fragen sind noch ungelöst." Zahlreiche weitere Hürden müssen genommen werden. Nach der Errichtung der Stiftung sowie deren Einigung über die Ausgestaltung des Mahnmals-plus-Dokumentationszentrums muss der Architekt, also doch wohl weiterhin Peter Eisenman aus New York, die entsprechenden Pläne zeichnen und vorlegen. Sollten diese die Zustimmung der Stiftung finden, muss eine "Haushaltsunterlage Bau" (HU Bau) erstellt werden, die die rechtlich erforderliche Voraussetzung für die entsprechenden Parlamentsbeschlüsse von Bund und Land über die Finanzierung darstellt. Bislang sind im Bundeshaushalt die fünf Millionen Mark der ursprünglichen Auslobung verankert, wovon nach den Ausgaben für den Architektenwettbewerb von 1994/95 sowie die weiteren, ursprünglich nicht vorgesehenen Diskussionsrunden im derzeitigen Haushalt noch eine Million eingestellt ist. Für die Haushalte der Jahre 2000 ff. bleibt gerade noch die fünfte und letzte Million übrig. Es muss also in jedem Fall nach- und neubewilligt werden.

Die Verfertigung der "HU Bau" nimmt mindestens ein halbes Jahr in Anspruch. Nach der parlamentarischen Beschlussfassung über die Finanzierung, die mit den Haushalten von Bund und Land des darauffolgenden Jahres wirksam wird, kann das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung - die frühere Bundesbaudirektion - die Ausschreibungen der Bauleistungen vornehmen, vermutlich europaweit, und die entsprechenden Angebote einholen, sichten und auswählen. Dann erst ist der Zeitpunkt für eine Grundsteinlegung gekommen.

Rechnet man für die Bauzeit vorsichtig anderthalb Jahre hinzu, dürfte die Fertigstellung des Holocaust-Mahnmals kaum vor dem Jahr 2003 zu erwarten sein, eher im Jahr 2004. Zu diesem Zeitpunkt werden sowohl das Jüdische Museum mit seiner Sammlungspräsentation als auch das - derzeit in Bau befindliche - Dokumentationszentrum der Stiftung "Topographie des Terrors" neben dem Martin-Gropius-Bau eröffnet sein. Und nicht wenige Besucher dieser beiden schon jetzt gerühmten Bauwerke ten werden sich fragen, warum es einen dritten Ort geben soll, der an den Völkermord der Nazis an den europäischen Juden Bezug erinnert, ohne zugleich die Dokumentationsleistung der beiden dann schon bestehenden Einrichtungen zu erreichen.

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