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Berlin: Die Törtchenschlacht

Zwei Konditoren besinnen sich auf die guten alten Zutaten: Butter, Zucker, Mehl, Eier. Nichts künstlich, nichts vorgefertigt. Ihre Köstlichkeiten sind nicht billig und finden dennoch reißenden Absatz – in der Gegend um den Kollwitzplatz, wo die Genießer wohnen

Der Laden ist nicht groß und leuchtet rot. Mit den drei Vitrinen aus dunklem Holz an der Fensterseite könnte es auch ein Juwelier sein. Die ausgestellten Kostbarkeiten sind aber essbar: Es ist die Patisserie von Stephanie Albrecht an der Rykestraße in Prenzlauer Berg. Klein und fein sind die Törtchen, die sie anbietet, und ganz frisch. Jeden Tag steht die 27-jährige Konditormeisterin dafür morgens um halb fünf auf; um 10 Uhr öffnet ihre Mitarbeiterin Saskia Rethmeyer das Geschäft.

Dann stehen die Kunstwerke schon hinter Glas, französisch inspirierte Klassiker – eben Patisserie. Schoko-, Birnen- und Passionsfrucht-Tarte locken da, Schoko-Dom, Himbeer-Joghurt-Charlotte, Nu-Ki-Törtchen, Opéra-Schnitte und der Klassiker Tarte Tatin, der im Laden als „Tatü Tata“ firmiert. Ein kleines Schild erläutert, womit der Genießer zu rechnen hat – preislich und geschmacklich. Das Nu-Ki-Törtchen etwa, das in drei Happen verspeist ist, kostet stolze 3,10 Euro. Es enthält „Leichte Vanillecreme und Kirschen auf Nussboden im Schokomantel“.

Und da war es, das Zauberwort: Leicht soll es sein. Auch Konditormeister Eckhard Lautz hat „den schweren Buttercremetorten den Kampf angesagt“. Die seien nicht mehr zeitgemäß, sagt er. Lautz verkauft seine feinen Törtchen ebenfalls am Kollwitzplatz, um die Ecke von Stephanie Albrecht, allerdings ohne Laden: Sein Wagen steht samstags auf dem Wochenmarkt – auch heute wieder, neben frischer Pasta, Bio-Gemüse und Rohmilchkäse. „Das ist der beste Markt von ganz Berlin“, schwärmt der 46-Jährige. „Dort wohnen Politiker, Künstler und Schauspieler.“

Dass es schick ist, dort zu wohnen, sieht man dem Stadtteil mittlerweile an, jedenfalls in der Gegend um Wasserturm und Kollwitzplatz. Stephanie Albrecht stammt aus dem Westerwald; ihr letzter Job war Chefpatissier auf der Blumeninsel Mainau. Als sie vor einem Jahr nach Berlin kam, waren die meisten Häuser in Prenzlauer Berg schon ordentlich renoviert. „Ich habe mich in diesen Kiez verguckt“, sagt sie. „Hier gibt es viele kleine Läden, die etwas Spezielles anbieten, nicht bloß Filialen der großen Ketten.“ So jung die Frau ist, so kompromisslos sind ihre Qualitätsvorstellungen. „Natürlich hätte ich mich auch anstellen lassen können, um Dosenfrüchte auf Blechkuchen zu verteilen. Aber das wollte ich ja gerade nicht“, sagt sie. Die Selbstständigkeit war der nahe liegende Schluss. Und weshalb hätte sie warten sollen, bis sie 40 ist?

So hat es Eckhard Lautz gemacht. Er war schon in den Vierzigern, in der Welt herumgekommen, hatte Zeiten als Chefpatissier in Fünf-Sterne-Hotels hinter sich, aber auch langes Herumstehen auf Märkten in Australien, als er vor anderthalb Jahren sein Geschäft gründete. „Die Qualität der Berliner Konditoreiszene ist schlecht“, sagt Lautz. „Als Berlin noch eine Insel war, musste hier niemand viel leisten, und alle hatten trotzdem ihr Auskommen.“ Neue Ideen seien hierher nicht vorgedrungen. Dass ein Traditionsbetrieb wie die Konditorei Senst an der Schloßstraße in Steglitz jetzt schließen müsse, sei der beste Beweis: „Deren Lage ist gut, die Qualität ist gut, aber die haben sich seit der Buttercremetorte nicht weiterentwickelt.“

Der Preiskampf mit den Großbäckern ist für die Kleinen ohnehin nicht zu gewinnen – ihre einzige Chance liegt im Feinen und Besonderen. Hier werden keine Tiefkühlsachen aufgebacken, chancenlos sind auch Margarine, kakaohaltige Fettglasur und andere Früchte als frische. „Es ist doch ganz einfach: Butter, Zucker, Mehl, Eier, Milch, Kuvertüre, frische Früchte – wie früher auch“, sagt Lautz. Nicht ein einziges Produkt sei bei ihm vorgefertigt, alles mache er frisch, und Frau Albrecht mache das genauso, wie er überhaupt über die junge Konkurrenz nur Gutes sagen könne. Lautz hat Albrecht schon besucht, kaum dass sie eröffnet hatte. „Ich glaube, es hat ihm bei uns gefallen“, sagt Saskia Rethmeyer. „Er hat mindestens drei Stücke gleich gegessen und sich noch vieles einpacken lassen.“ Auch an anderen Tagen ist Stephanie Albrecht abends meist ausverkauft.

Albrechts Patisserie, Rykestraße 39, Di.-So. 10-19 Uhr, www.albrechts-patisserie.de

Patisserie Lautz, Do. 10-18 Uhr Wittenbergplatz, Sa. 9-16 Uhr Kollwitzplatz und 10- 16 Uhr Leibnizkolonnaden

Fatina Keilani

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