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Berlin: Die Türkei schlägt sie alle – ihre Fans setzen drauf

Von Martin E. Hiller An der Mehrzahl von diskutierenden Menschen mit Tippscheinen in der Hand erkennt der Fachmann, dass die Fußballweltmeisterschaft begonnen hat.

Von Martin E. Hiller

An der Mehrzahl von diskutierenden Menschen mit Tippscheinen in der Hand erkennt der Fachmann, dass die Fußballweltmeisterschaft begonnen hat. Während Argentinien, Italien und Co. noch vier Wochen streiten müssen, bevor der neue Titelträger ermittelt sein wird, steht ein Gewinner der Endrunde schon vorher fest: Die Tatsache, dass die Türkei sich zum zweiten Mal nach 1954 für die Endrunde qualifiziert hat, beschert den Berliner Wettbüros einen märchenhaften Zulauf. Vor den Annahmestellen zwischen Neukölln und Wedding bilden sich Schlangen bis auf die Straße hinaus: Türken, die auf ihre Mannschaft setzen wollen. Dabei sind der Fantasie der Wettenden, die nicht selten dicke Packen von Scheinen auf den Tisch knallen, ebenso wenig Grenzen gesetzt wie ihrem Vertrauen in die Stärke der Nationalmannschaft. Man setzt auf das Ergebnis, die n der Torschützen, die Höhe des Sieges. Und gerade bei der letzten Variante sehen die Südeuropäer nicht ein, warum sie sich mit ihren Tipps bescheiden geben sollten.

Costa Rica wird demnach 4:0 geschlagen, China mit 6:0 nach Hause geschickt. Einzig beim Spiel gegen Brasilien geht man etwas vorsichtiger zu Werke – da wird zurückhaltend auf einen schlichten „Sieg Türkei“ gesetzt. Ein solcher Sieg bringt je nach Wettbüro 5,5 bis 7 für einen Euro. Brächte, sollte man wohl korrekterweise sagen. Aber die türkischen Wettfanatiker gehen eben todsicher von einem Triumph über die Selecao aus. „Hakan Sükür macht das schon“, sagt Göksel Cengiz aus Britz und setzt einen Hunderter extra darauf, dass der Stürmer Torschützenkönig in Asien wird – ein Tipp, der den 27-Jährigen im Erfolgsfall um 7000 Euro reicher machen würde. Doch auch im Erlebensfalle würde Cengiz damit sein Kreuzberger Wettbüro kaum arm machen. „Die Türken setzen so viel, wir werden auf jeden Fall ein Geschäft machen, egal welche Quoten wir anbieten“, sagt der Inhaber der Annahmestelle, der ungenannt bleiben möchte. Und wirklich, egal ob der Gruppensieg noch vor Brasilien (Quote 4,5:1) oder der WM-Titel für die Türkiye Futbol Federasyonu (100:1) – jedes Wettangebot findet Interessenten. Das Wetten an sich und vor allem die ausführliche Diskussion über die individuellen Erfolgsstrategien machen eben zu viel Spaß, mehr Spaß noch als zu gewinnen. Die Schlangen vor den Annahmestellen werden erst heute um 11 Uhr verschwinden und sich in Menschenmassen in überfüllten türkischen Kneipen verwandeln. Dann beginnt die Partie gegen den Rekordweltmeister Brasilien – und die gewinnt die Türkei ja bekanntlich.

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