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Berlin: Die U 55 rollt nicht zur WM – aber keiner will es sagen

Beteiligte schieben sich Verantwortung für Kurzstreckenlinie gegenseitig zu Berlin will Betrieb nicht, befürchtet aber Rückzahlungsforderung des Bundes

Das Possenspiel um die U-Bahn-Linie U 55 hat einen weiteren Höhepunkt erreicht. Keiner der Verantwortlichen will auf dem nur 600 Meter langen Abschnitt vom Hauptbahnhof zum Bundestag während der Fußball-Weltmeisterschaft Züge fahren lassen – aber keiner sagt es deutlich. Die Beteiligten schieben sich die Verantwortung gegenseitig zu. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) immerhin haben erste Konsequenzen gezogen und den Termin abgesagt, zu dem die Züge in den Minitunnel gehievt werden sollten.

Es geht ums Geld. Die BVG will die Betriebskosten nicht übernehmen, die mit 600 000 Euro im Jahr veranschlagt sind. Erwartet werden lediglich rund 6500 Fahrgäste pro Tag. Und die Stadtentwicklungsverwaltung befürchtet, dass der Bund knapp 70 Millionen Euro von Berlin zurückfordern könnte, wenn im Mai hier keine Züge fahren. Klarheit hat die Verwaltung bis heute nicht erhalten; ein Brief ans Bundesverkehrsministerium vom 10. März blieb bis heute unbeantwortet. Auch auf Anfrage des Tagesspiegels reagierte das Ministerium gestern nicht.

Die heute U 55 genannte Strecke sollte ursprünglich als U 5 den Alexanderplatz mit dem neuen Hauptbahnhof verbinden. Mit dem Bau begann man am Hauptbahnhof. Als rund 150 Millionen Euro ausgegeben waren, stoppte der damalige CDU/SPD-Senat 2001 den Weiterbau. Da aber auch knapp 70 Millionen Euro an Bundesmitteln aus dem Hauptstadtvertrag verbuddelt waren, forderte der Bund: weiterbauen oder Geld zurück.

2004 einigten sich beide Seiten dann darauf, die vorhandenen Anlagen so auszubauen, dass im Mai 2006 ein provisorischer Betrieb zwischen Hauptbahnhof und dem Bahnhof Brandenburger Tor aufgenommen werden kann. Schwierigkeiten mit eindringendem Grundwasser am Brandenburger Tor verzögerten jedoch den Bauablauf. Nun forderten das Finanz- und das Verkehrsministerium, wenigstens einen Betrieb zwischen Hauptbahnhof und der Station Bundestag aufzunehmen. Sonst drohe wieder die Rückzahlung. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Dabei wäre der verkehrliche Nutzen dieses provisorischen Betriebs nach Ansicht der Stadtentwicklungsverwaltung gering. Die umstrittene Maßnahme sei nach außen kaum zu rechtfertigen. Deshalb bat Staatssekretärin Maria Krautzberger (SPD) ihren Kollegen im Verkehrsministerium, den Betrieb erst aufzunehmen, wenn der Bahnhof Brandenburger Tor voraussichtlich im Dezember 2006 fertig sein wird.

Besteht der Bund auf der Zwei-Stationen-Bahn, würden Ortsunkundige im Hauptbahnhof in eine U-Bahn steigen, die bereits nach einer Minute ihre Fahrt im Bahnhof Bundestag beendet. Abgeordnete könnten so immerhin per Bahn einen Weg zurücklegen, den sie sonst vielleicht laufen müssten. Endet die Stummellinie aber am Brandenburger Tor, gibt es dort einen Anschluss zur Nord-Süd-S-Bahn mit einem direkten Übergang – und einem verkehrlichen Nutzen.

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