zum Hauptinhalt

Die Unfallkommission: Ein Berufsleben voller Brennpunkte

500 PROBLEME Jochen Schledz verwaltet 1500 gefährliche Orte in Berlin: „Unfallhäufungsstellen“, an denen es in den vergangenen drei Jahren mindestens drei Unfälle mit Schwerverletzten oder fünf mit Leichtverletzten gab. Rund zwei Drittel kommen mal auf die Liste und verschwinden wieder, aber etwa 500 sind Dauerbrenner.

500 PROBLEME

Jochen Schledz verwaltet 1500 gefährliche Orte in Berlin: „Unfallhäufungsstellen“, an denen es in den vergangenen drei Jahren mindestens drei Unfälle mit Schwerverletzten oder fünf mit Leichtverletzten gab. Rund zwei Drittel kommen mal auf die Liste und verschwinden wieder, aber etwa 500 sind Dauerbrenner. Um die kümmert sich Schledz, der bei der Verkehrslenkung Berlin (VLB) die Unfallkommission leitet. Mindestens alle zwei Monate treffen sich Experten von VLB, Polizei und den Tiefbauämtern der Bezirke zur Diskussion, wie solche Orte entschärft werden können. Seit Gründung der Kommission Ende 2005 sind nach Auskunft von Schledz 123 Fälle abgearbeitet worden. Bei 55 wurden die Vorschläge der Fachleute bereits komplett umgesetzt, bei 26 teilweise, weitere 25 seien in Arbeit.

EIN DUTZEND INSTRUMENTE

Der Werkzeugkasten enthält ein gutes Dutzend Instrumente: Neu- und Umbauten von Ampeln, rot unterlegte Radwegfurten, Piktogramme auf der Fahrbahn, Blinklichter an Fußgängerampeln, Bau von Mittelinseln, Verbannung von Parkplätzen und Werbetafeln, sofern sie die Sicht behindern, Verlegung von Haltestellen der BVG. Manchmal hilft auch mehr Licht oder ein Wegweiser, der die markierten Fahrspuren zeigt und nicht nur die Richtung. Notfalls muss auch mal ein Rotlichtblitzer her wie der, der neuerdings am Tempelhofer Damm unter der Autobahnbrücke die Leute zur Vernunft bringen soll. Von Jochen Schledz aus könnte es gern mehr davon geben. Nach seiner Auskunft erledigt die Unfallkommission etwa 15 Brennpunkte pro Jahr. Die Liste ist also lang genug für ein ganzes Berufsleben.

ZWEI BESONDERE STUDIEN

Aus Sicht von Schledz ist die Berliner Unfallkommission relativ gut dran. Er habe immerhin 750 000 Euro im Jahr zur Verfügung, während seine Kollegen in vielen anderen Städten gar kein eigenes Budget hätten. Dabei sind Unfallkommissionen keine Kür, sondern laut einer Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung Pflicht für alle Kommunen. Auch zwei Sonderuntersuchungen hat die Berliner Unfallkommission bereits erstellt. Eine ergab, dass Kinder eher in der Freizeit als auf dem Schulweg verunglücken – und zwar verteilt über die ganze Stadt. Eine Studie zu Fahrradunfällen ergab dagegen, dass die unfallträchtigsten Ecken nicht etwa die mit dem meisten Radverkehr sind, sondern eher Straßen mit vielen Ausfahrten, etwa von Einkaufszentren und Tankstellen.

1,5 MILLIONEN EURO SCHADEN

Stolz präsentiert Schledz sein Computerprogramm, mit dem er die detaillierten Unfalldaten für jeden Ort im Berliner Straßennetz abrufen kann, hochauflösendes Luftbild inklusive. Allerdings haben die Bezirke bisher keinen Zugriff darauf, was Schledz ändern will. Denn es sind deren Tiefbauämter, die die Empfehlungen der Unfallkommission umsetzen sollen. Dass sich selbst scheinbar teure Umbauten lohnen, zeigt das Beispiel der Kreuzung An der Urania/Kurfürstenstraße, die Mitte 2010 für 200 000 Euro komplett umgestaltet und mit neuen Ampeln versehen wurde: 2011 entstand dort bei Unfällen mit Verletzten noch ein Gesamtschaden von 203 000 Euro. In den drei Jahren davor waren es 1,5 Millionen Euro – nur an dieser Kreuzung und nur bei den Unfällen, bei denen nicht nur Blech kaputt ging.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false